Wer kennt sie nicht – die Geschichte vom Findelkind Mogli, das durch den Dschungel tollt und mit dem Menschsein so gar nichts an der Mütze hat? Das Theater Liberi hat die Geschichte des Dschungelbuchs auf seine eigene Weise erzählt und im fast ausverkauften Congress Saal der Halle Münsterland am Sonntagnachmittag viele Kinderaugen zum Leuchten gebracht.
Das sattgrüne Bühnenbild und eingespielte Vogelgezwitscher entführten die Gäste bereits beim Betreten in den Urwald. Die Mehrheit des Publikums war jedoch zunächst damit beschäftigt, auf eines der großen, grauen Sitzkissen zu klettern, die den Blick auf besagte Kulisse überhaupt erst ermöglichen. Ja, dieses Musical ist für Kinder – obschon die Geschichte weitaus mehr birgt als bloßes Affengeschrei und Bärengeblödel.
Der erste Auftritt gehört Mogli, gespielt von Christopher Tim Schmidt, der in seinem Lied „Meine Welt“ davon singt, wie er seinen tierischen Gefährten in nichts nachsteht und sich im Dschungel wie zuhause fühlt. Immer an seiner Seite ist der tapsige Bär Balu, gespielt von Oliver Kleppel, der sich schnell zum Publikumsliebling mausert.
Der Mensch hinter dem Tier
Während sich die anderen Dschungelbewohner in den nachfolgenden Szenen vorstellen, fällt auf, dass deren Kostüme gar nicht so…tierisch sind. So wird zum Beispiel Baghira durch Janina Eliana Heyderhoff dargestellt, welche in einem glitzernden Kleid eher an Disco als an Dschungel erinnert. Die Regisseurin des Stücks, Carolin Pommert, sagt: „Es ist oft ein schmaler Grat: Ich will dabei sowohl Erwartungen erfüllen, als auch völlig neue Ansätze finden. Mein Ziel ist es, die vielleicht etwas angestaubten Figuren aus der Mottenkiste heraus und ins Hier und Jetzt zu holen.“
Erstaunlich ist bei diesem Musical übrigens die Größe des Ensembles: Insgesamt nur sechs Personen verkörpern ALLE Rollen der Geschichte! Sicherlich ein hoher Anspruch an das eigene Schauspiel, wenn man binnen Minuten von Wolf zu Affe und wieder zurück wechselt.
Der Mogli-Darsteller hat für die Art der Kostüme eine eigene Erklärung: “Bei dieser Inszenierung ist ein schöner Weg gefunden worden, wie man einerseits das Tierische zeigt, andererseits aber auch nicht den Darsteller vergisst, der hinter diesem Tier steckt.“
Überhaupt findet sich viel Tiefgründigkeit in diesem bunten und wilden Bühnenspektakel. Der kleine Mogli tobt durch den Urwald, geht aufgeschlossen auf alle zu und adaptiert Verhalten verschiedener Lebewesen. „Jeder ist individuell und anders. Diese Vielfalt Ist wertvoll und muss geschützt werden.“ so Schmidt. „Und wir sollten akzeptieren, dass jeder anders ist.“
Doch noch einmal zurück zur Geschichte
Moglis Eltern kamen einst im grünen Dickicht um und ließen ihr Baby als Waisenkind zurück. Ein Rudel Wölfe nahm den hilflosen Jungen auf und lehrte ihn, sich wie einer von ihnen in der Wildnis zu behaupten. Gemeinsam mit Mogli erlebt das Publikum spannende und lustige Begegnungen, welche nicht nur von professionellem Gesang, sondern auch einem Chor aus Kinderlachen untermalt werden. Über die Musik sagt der Mogli-Darsteller: „Die Songs wurden extra für diese Inszenierung geschrieben und bringen eine ganz tolle Energie mit. Die Musik rundet das Stück und den schauspielerischen Teil ganz toll ab – sowohl durch den Gesang als auch den Tanz.“
Doch der Dschungel birgt auch viele Gefahren und Feinde! Eine von ihnen ist die Schlange Kaa, gespielt von Jeanne Rehe, die ihre Beute mittels starrem Blickkontakt hypnotisiert und sie dann mit ihrem wendigen Körper fesselt. Der schlimmste Feind ist allerdings der Tiger Shir Khan, verkörpert von Edy Edwards, der schon Moglis Eltern auf dem Gewissen hat. Unentwegt durchstreift er den Dschungel auf der Suche nach dem Menschenjungen.
Schicksalhaft ist der Moment, als Mogli einen Menschen trifft. Durch das von Alicia Wagner gespielte Mädchen namens Narami gerät Mogli nicht nur erstmalig mit dem faszinierenden Element Feuer in Berührung, sondern beginnt außerdem das Dschungel-Gesetz anzuzweifeln, dass alle Menschen schlecht sind. Das Dschungelbuch ist eine Geschichte von Selbstfindung, Vielfalt und vor allem Freundschaft – und dafür ist man doch nie zu alt, oder?
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