Hund, Katze, Maus. Aber auch: Affe, Ratte, Fruchtfliege. Die Zahl der Tierexperimente bleibt konstant hoch. Die zweite Veranstaltung der Reihe „Tiere und Ethik“ der Volkshochschule Münster steht am Montagabend im Stadtweinhaus unter dem Titel: „Tierexperimentelle Forschung – Darf der Mensch Tiere für seine Zwecke nutzen?“ Provokanter gefragt: Muss man das Experimentieren (auch) an Tieren hinnehmen, damit die Gesundheit künftiger Generationen verbessert werden kann? Noch radikaler und kürzer: Haustier für Kinder?
Vor der eigentlichen Podiumsdiskussion lässt Moderatorin Andrea Benstein (Studioleiterin WDR Münster) das Publikum zu Wort kommen: „Ich möchte mich dazu nicht äußern!“ – „Tiere sollten nicht durch Menschenhand gequält werden!“ – „Da schließe ich mich meinem Vorredner an!“ – „Die Experimente sind doch aber notwendig, einen Organismus kann man allein durch Zellkultur nicht nachbilden!“ – „Ich denke, man muss anfangen, Tiere als Wesen zu erfassen…“
Die kontroversen Ansichten und Ansätze der Zuhörer werden sich auf der Bühne widerspiegeln: Die sechs Gäste, die nun auf den Sesseln vorne Platz nehmen, scheinen symbolisch zwei Lager zu bilden, die durch Benstein in der Mitte sitzend getrennt werden. Auf der einen Seite Roman Kolar (Leiter der Akademie für Tierschutz), Gaby Neumann (Ärzte gegen Tierversuche e. V.) und Johann Ach (WWU Münster, Centrum für Bioethik). Zur anderen Seite Bensteins befinden sich Ralf Adams, Kerstin Bartscherer (beide Plank-Institut Münster, Bereich molekulare Biomedizin) und Bettina Schöne-Seifert (WWU Münster, medizinische Fakultät). Letztere bemerkt aufgrund dieses ersten Eindrucks zweier separierter Fraktionen, dass die Sitzanordnung nicht als vermeintliche Skala zu lesen sei. Reihum erläutert jeder seinen Standpunkt in grob gefasst zwei Runden. Die erste ist die Ethik-/ Gretchenfrage: Darf der Mensch sich über das Tier stellen? Die zweite Frage ist praktischer formuliert: Welcher Nutzen (bzw. Forschungserfolg) wiegt den Schaden (am Tier) auf?
An der Nahtstelle der naturwissenschaftlichen und ethischen Diskurse wird nun anderthalb Stunden lang diskutiert. Ergebnisoffen, so scheint es. Aber friedlich und respektvoll. Dass sich der Mensch über das Tier stellt, beurteilt Ach aus philosophischer Sicht als Verstoß gegen die Gleichbehandlung von Lebewesen mit ähnlichen Eigenschaften. Als sogenannten Speziesismus, der neben Rassismus und Sexismus Ungleichbehandlung generiere. Auch hinter die Unterscheidung verschiedener Empfindungsfähigkeiten der Tiere schreibt Schöne-Seifert ein gedankliches Fragezeichen. Die Tiere könne man jedenfalls nicht um ihre Zustimmung ersuchen. Kolar leitet gerade aus diesem kognitiven Vorsprung des Menschen dessen Verantwortung gegenüber dem Tier ab. Und dennoch: Auf dem Podium wie im Zuhörerraum wird es zweimal ausgesprochen: Im Zweifelsfall weiß man unmittelbar, ob man sich für geliebte Haustier oder das eigene Kind entscheidet.
So unterschiedlich die Argumente der Für- und Widersprecher sind, so einleuchtend wirken sie gleichermaßen – wie sich am Applaus während der Diskussion hören lässt. Ein Konsens findet sich darin, dass man sich der Verantwortung bewusst sein müsse; dass es Ziel sein muss, die Zahl der Tierversuche zu reduzieren. Die Frage ist die des Umfangs. Kann man ganz auf diese Methode verzichten?
Das wissenschaftliche Methodenspektrum umfasst mehr als das Forschen am Tier, auch klinische Studien und Untersuchungen an Zellkulturen, Organoiden dienen wissenschaftlicher Erkenntnis. Doch ist das Experiment an Tieren eine überholte Tradition aus dem 18. Jahrhundert? Lassen sich Erkenntnisse am tierischen Organismus auf den menschlichen Körper übertragen? Werden neue Methoden ausreichend erforscht, um Alternativen zu schaffen? Können Berechnungen, Algorithmen und Simulationen mehr oder genauso viel Sicherheit bieten? Wird man eines Tages gänzlich auf Tierversuche verzichten können? „Die Ethik liefert keine fertigen Antworten“, sagt Schöne-Seifert.
Auch ist der unterschiedliche Informationsstand und -fluss ein Hindernis bei solcherlei Diskussionen. Die Wissenschaft müsse sich an politische Entscheidungen halten, die wiederum auch auf wissenschaftlichen Erkenntnissen und Experteneinschätzungen fußen. Die lange Geschichte der Tierexperimente ist möglicherweise in der universitären Forschung derart etabliert, dass sie sich als eine Art Tradition reproduziert. Viele Vermutungen und Überlegungen stehen gegen 21 Uhr im Raum.
Nein, fertige Antworten gab es wohl nicht. „Wir haben es versucht“, bilanziert Benstein. Der Versuch, einen Minimalkonsens zu finden, dürfte als geglückt betrachtet werden. Die Standpunkte, Vorschläge, Kritiken und Überlegungen sind vielleicht Versuche von Antworten. Das Ergebnis des Abends ist in jedem Fall ein Austausch zwischen den Experten untereinander und mit den Gästen.
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