Digitale Tatorte – im Kampf gegen Cybercrime Innenminister Herbert Reul stellt in Münster neue Kriminalinspektion vor

NRW-Innenminister Herbert Reul (Bildmitte) weist auf die steigende Gefahr durch Cybercrime hin. (Foto: Jasmin Otman)
NRW-Innenminister Herbert Reul (Bildmitte) weist auf die steigende Gefahr durch Cybercrime hin. (Foto: Jasmin Otman)

Am heutigen Vormittag war NRW-Innenminister Herbert Reul zu Besuch im Polizeipräsidium am Friesenring, um die Kriminalinspektion „Cybercrime“ vorzustellen. Ebenfalls anwesend war Ingo Wünsch, Direktor des Landeskriminalamtes (LKA) NRW.

„Cyberkriminalität ist eine zunehmende Bedrohung. Sie kann die gesamte Infrastruktur lahmlegen“, stimmt Reul auf die Veranstaltung ein. „Um dagegen anzugehen, brauchen wir aber nicht nur Technologie, wir brauchen auch Manpower!“ Insgesamt 94 Stellen sollen für den Kampf gegen Cyber-Kriminalität besetzt werden. „Man hört immer, wir würden nur sparen. Das ist Quatsch! Wir setzen die Mittel nur anders ein – eben dort, wo sie benötigt werden.“ Die Stellenakquise gestalte sich allerdings aufwändig, da man „nicht jeden brauchen kann“. Aus den ersten 600 Bewerbungen habe man 43 Einstellungen erreichen können und suche nun weitere „IT-Experten ++“ so Reul. Lobende Worte fand er für die Polizei Münster, die in dieser Sache ein hohes Maß an Eigeninitiative gezeigt habe.

Münster ist neben Köln, Düsseldorf, Bielefeld, Dortmund und Essen eine von sechs Inspektionen in NRW, die der Projektgruppe „Digitale Tatorte“ angehören. Reul habe zwar den Impuls gesetzt, doch der Leitende Kriminaldirektor Helmut Picko habe als Projektleiter „den gelieferten Meilenstein gesetzt“, erklärt LKA-Chef Wünsch. Weiter appelliert er an die Anwesenden: „Schützen Sie Ihre IT wie Ihre Lagerhallen – dort lassen Sie doch auch keine Türe offen.“

Im Kollaborationsraum der Polizei Münster wird ein Cyberangriff simuliert. (Foto: Jasmin Otman)
Im Kollaborationsraum der Polizei Münster wird ein Cyberangriff simuliert. (Foto: Jasmin Otman)

Projektleiter Picko stellte die dafür erforderlichen technischen Geräte und ihre Funktion vor. Von Basics wie einer Powerbank, über ein Mesh-Gerät, das die WLAN-Verbindung über mehrere Etagen gewährleistet, hin zu einer eigenen „Polizei-Cloud“. „Hierbei handelt es sich nicht um eine Planung, das ist alles bereits umgesetzt“, betont Picko und präsentiert unter anderem Fotos von technisch voll ausgestatteten Räumlichkeiten. „Und so sieht es in allen sechs teilnehmenden Behörden aus.“

Mit eigenen KI-Entwicklern und daraus resultierenden polizeispezifischen Lösungen sei man in NRW gut aufgestellt, so Wünsch. Polizeipräsidentin Alexandra Dorndorf fügt hinzu: „Wir müssen es den Tätern gemeinsam mit den Unternehmen schwer machen. Die Polizei stellt sich weiter auf und unsere Botschaft lautet: Wir sind im Ernstfall für Sie da!“

Die Lambertus Klinik wird angegriffen

Doch wie sieht so ein Ernstfall eigentlich aus? In einem kurzen Video wurde ein solcher Cyberangriff dargestellt. Betroffen war die rein fiktive „Lambertus Klinik“ in Münster, die den Ausfall der gesamten IT beim Landeskriminalamt meldet. Einzig für diesen Fall gibt es einen „Single Point of Contact“, der diese Meldung unmittelbar an die Inspektion „Cybercrime“ im Polizeipräsidium Münster weiterleitet. Diese nehmen dann Kontakt zu den IT-Verantwortlichen des Krankenhauses auf, um zunächst die relevantesten Informationen einzuholen.

Innenminister Herbert (li.) und Helmut Picko, Projektleiter "Digitale Tatorte". (Foto: Jasmin Otman)
Innenminister Herbert Reul (li.) und Helmut Picko, Projektleiter „Digitale Tatorte“. (Foto: Jasmin Otman)

Was dann folgt, nämlich eine Einsatzbesprechung im Kollaborationsraum, um das weitere Vorgehen zu besprechen, wurde durch die zuständigen Cybercrime-Experten live simuliert. Die Abfolge der Handlungsschritte inklusive eines Videocalls zu den anderen NRW-Inspektionen wurde in Echtzeit vorgeführt. Durch diese Verbindung lassen sich im Ernstfall alle erforderlichen Ressourcen, personeller oder informeller Natur, mobilisieren. Reul betont, dass es sich zwar um dezentrale Expertengruppe handele, diese aber nicht dezentral bleiben, da sie sich vernetzen.

Die Polizei hat ihr technisches Equipment aufgerüstet. (Foto: Jasmin Otman)
Die Polizei hat ihr technisches Equipment aufgerüstet. (Foto: Jasmin Otman)

Die akute Schadensbegrenzung übernehme die Polizei, die Wiederherstellung des Normal-Zustandes liege jedoch in der Verantwortung des Unternehmens, erklärt Jürgen Dekker, stellvertretender Polizeipräsident des Polizeipräsidiums Münster.

Das Phänomen der Cyberangriffe betreffe übrigens längst nicht mehr nur die großen Unternehmen, sondern zunehmend auch die kleinen und mittelständischen Betriebe. „Wir raten dringend davon ab, solche Probleme alleine lösen zu wollen“, warnt Dekker. „Die meisten kleineren Unternehmen gibt es fünf Jahre nach so einem Angriff nicht mehr.“ Es sei unbedingt gewollt, dass die Experten ständig eingesetzt werden. Neben Fortbildungen sei das der einzige Weg, um wertvolle Kompetenzen zu erhalten.

Datenschutz an falscher Stelle

Ein wichtiger Grundstein für die Bereitstellung von Fördermitteln sei die Anhäufung von Kindesmissbrauchsfällen. Dadurch habe sich gezeigt, dass mehr finanzielle Mittel in die Bekämpfung der Cyberkriminalität gesteckt werden müssen, macht Reul deutlich. Einmal dieses brenzlige Thema touchiert, fand sich der Innenminister rasch in einer Diskussion mit einem Journalisten wieder. Auslöser war dessen Frage, warum man in Verdachtsfällen von Kinderpornografie nicht die IP-Adressen verfolge. Bei ihm renne er damit offene Türen ein, erwiderte Reul: „Ich rate jedem, auf die Straße zu gehen und dafür zu demonstrieren, dass man dieser Spur nachgehen darf. Leider ist auch in solchen Fällen der Schutz der Daten ein sehr hohes Gut.“ Der Minister betonte allerdings, dass er sich damit nicht abfinden wolle: „Das bring ich auf jeden Fall noch zu Ende in meiner Amtszeit!“

Anschließend an die Vorführung wurde diskutiert. (Foto: Jasmin Otman)
Anschließend an die Vorführung wurde diskutiert. (Foto: Jasmin Otman)

Die Ideologie sei da etwas verschoben, ergänzt LKA-Direktor Wünsch. Man könne mittels Kfz-Kennzeichen problemlos auf sämtliche Personalien zugreifen, doch anhand der IP-Adresse gehe das nicht – nicht einmal, wenn ein konkreter Verdacht vorliege. „Ich hoffe daher sehr, dass du dein Versprechen wahr machst!“

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