Ohne Frauen sähe es düster aus, auch in der katholischen Kirche. Selbst Jesus wurde von einer Frau geboren, obwohl Gott vermutlich auch andere Möglichkeiten gehabt hätte. Ohne das oftmals ehrenamtliche Engagement zehntausender Frauen wäre die Kirche heute über weitere Bereiche handlungsunfähig, der Zugang zum Priesteramt indes bleibt ihnen weiterhin versagt. Sollte sich dies in Zukunft ändern, könnte die Initiative Maria 2.0 aus Münster daran einen gewichtigen Anteil haben.
In der Woche vom 11. bis zum 18. Mai rufen die Mitglieder der Gruppe zum Kirchenstreik auf. Doch es geht den engagierten Frauen nicht nur um die Gleichberechtigung von Mann und Frau in der katholischen Kirche, insgesamt sind es vier Kernthemen, die ihnen auf der Seele brennen und mit denen sie sich in einem offenen Brief an den Papst wenden. „Es sind so fürchterliche Dinge passiert und wurden von anderen gedeckt. Die Amtskirche muss sich die Frage stellen, ob das System eine Mitschuld trägt“, erläutert Sigrid Kammann von Maria 2.0 und legt zugleich Wert auf die Tatsache, dass sie in der katholischen Kirche noch immer ihre Heimat sieht, der Austritt ist für sie keine Option. Wer Menschen an Leib und Seele geschändet hat, darf kein Amt mehr in der Kirche ausüben, die Täter müssen der weltlichen Strafverfolgung überstellt werden. Das Pflichtzölibat soll aufgehoben und die kirchliche Sexualmoral an der Lebenswirklichkeit der Menschen ausgerichtet werden, darum geht es den Frauen.
Maria 2.0 ist nicht die erste Initiative innerhalb der katholischen Kirche, die eine grundsätzliche Erneuerung fordert, sie kommt aber möglicherweise genau zum richtigen Zeitpunkt. Es brodelt vielerorts unter den katholischen Christen, von allen Seiten erhalten die Aktivistinnen von Maria 2.0 Zuspruch, die Medien berichten deutschlandweit und inzwischen auch im Ausland über die Initiative. „Vielleicht geht von Münster nicht unbedingt eine Revolution aus aber eine Welle ist es jetzt schon“ zeigt sich Kammann begeistert und berichtet, dass Elisabeth Kötter und Andrea Voß-Frick von Maria 2.0 aktuell einen 8-Stunden-Job zu erledigen haben, um alle Mails und sonstigen Anfragen zu bearbeiten. Neben vielen ehren- und hauptamtlichen Mitarbeitern der Kirche haben auch zahlreiche Theologen, Pfarrer und Ordensleute ihre Solidarität mit der Initiative bekundet. Selbst Münsters ehemaliger Weihbischof und jetziger Bischof des Bistums Essen, Franz-Josef Overbeck, folgt Maria 2.0 auf Facebook. „Die Tür ist ein spaltbreit aufgegangen in der katholischen Kirche“, freut sich Sigrid Kammann.
Der Termin des geplanten Kirchenstreiks erinnert an Piloten und Fluglotsen, die ihre Streiks gerne in die Ferienzeit legen, Mitte Mai finden in manchen Gemeinden die Feiern der Erstkommunion statt. „Wir wollen auf keinen Fall jemandem die Erstkommunion verderben und überlegen uns gerade, wie wir das Problem lösen“, berichtet Kammann. Der Grund für die Terminwahl ist ein anderer, Mai ist der Marienmonat und bot sich daher für die Aktion an. Der Streik bedeutet auch nicht, dass alle Frauen, sowohl als Besucherinnen als auch als Mitwirkende der Gottesdienste, einfach zu Hause bleiben. Vielmehr soll es zahlreiche bunte Aktionen und auch Gottesdienste vor den Türen der Kirchen geben.
„Selbst Bischöfe sprechen heute Dinge offen aus, die noch vor fünf Jahren undenkbar gewesen wären“, berichtet Kammann, erinnert aber auch daran, dass man in der katholischen Kirche mitunter einen langen Atem braucht, bis sich etwas verändert. Am morgigen Montag werden Vertreterinnen von Maria 2.0 anlässlich der Bischofskonferenz vor der St. Bonifatiuskirche in Lingen eine Mahnwache abhalten. Ob sich die kirchlichen Würdenträger davon beeindrucken lassen, wird sich zeigen.
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