Das Verursacherprinzip funktioniert im Kleinen meist ganz gut, ist sich Michael Radau, Gründer und Geschäftsführer der SuperBioMarkt AG, sicher. Im Großen gibt es allerdings manchmal Probleme, wie der münstersche Bio-Pionier erklärt. Er fordert zusammen mit seinen Kolleginnen und Kollegen des „Bündnis für eine enkeltaugliche Landwirtschaft“ (BeL) und des „Bundesverband Naturkost Naturwaren“ (BNN) einen Ausgleichsfond, aus dem die Bio-Landwirtschaft für Belastungen entschädigt werden soll, die durch den Einsatz von chemisch-synthetischen Pestiziden entstehen. Es geht um 100 Millionen Euro pro Jahr. Mindestens.
Eigentlich könnte die Sache ganz einfach sein: Möchte ich einen Apfel haben, der nicht mit Pestiziden belastet ist, kaufe ich Obst aus ökologischem Anbau, denn dort ist der Einsatz solcher Stoffe verboten. Eigentlich. Leider sieht die Realität anders aus, wie eine große Studie beweist, die vom „Bündnis für eine enkeltaugliche Landwirtschaft“ deutschlandweit durchgeführt wurde. „Selbst an abgelegenen Orten wie dem Brocken oder im Bayrischen Wald, also fernab landwirtschaftlicher Flächen, haben wir bis zu 35 unterschiedliche Pestizide gefunden. Fünf dieser Stoffe sind sogar verboten, wurden also offenbar illegal eingeführt und ausgebracht“, berichtet Radau, der zu den Gründungsmitgliedern des Bündnisses gehört. Ursache für die praktisch flächendeckende Nachweisbarkeit von Pestiziden, auch im Bereich ökologischer Landwirtschaft, ist offenbar die Verbreitung der Stoffe mit dem Wind.
„Als Hersteller muss ich regelmäßig die sogenannte Verkehrsfähigkeit als Bioprodukt nachweisen“, erläutert Radau. Anders gesagt, der Bio-Landwirt muss seine Produkte regelmäßig prüfen und testen lassen und das Ganze aufwendig dokumentieren, schließlich erwartet der Käufer zu Recht, dass die meist teureren Bioprodukte nicht mit Schadstoffen belastet sind. Das kostet nicht nur sehr viel Zeit sondern auch sehr viel Geld. Und es kann im äußersten Fall dazu führen, dass einzelne Produkte nicht als Bioprodukte in den Handel gelangen dürfen. So geschehen bei einem Bio-Imker, der seine gesamte Jahresproduktion vernichten musste, weil die Schadstoffbelastung zu hoch war. Offenbar haben seine Bienen aus Unkenntnis zwischendurch an den falschen Blüten gesammelt.
Grund für die Notwendigkeit dieser strengen Laborüberprüfungen sind dabei nicht in erster Linie die schwarzen Schafe, die ihre konventionell erzeugten Produkte als Bio-Lebensmittel verkaufen wollen, sondern der zunächst unbemerkte Eintrag von Schadstoffen über Wind und Regen. Es entstehen der ökologischen Landwirtschaft also hohe Kosten für etwas, was von anderen verursacht wird. Das finden Michael Radau und seine Mitstreiterinnen und Mitstreiter im hohen Maße ungerecht, zumal diese Kosten an den Kunden weitergegeben werden und dadurch die Bioprodukte weiter verteuern. „Biokunden zahlen für den Pestizideinsatz in der konventionellen Landwirtschaft. Dieses ungerechte System muss endlich ein Ende haben“, sagt auch Katrin Jäckel, Geschäftsführerin des „Bundesverband Naturkost Naturwaren“.
„In den Fond sollte jeder einzahlen, der Pestizide verwendet. Das sind nicht nur Landwirte der konventionellen Landwirtschaft, sondern zum Beispiel auch Privatleute, die in ihrem Garten spritzen. Hier haben Pestizide rein gar nichts verloren!“, wie Radau mit Nachdruck ausführt. Das Ganze könnte über eine Abgabe erfolgen, die auf den Preis der Pestizide aufgeschlagen wird und in den Fond geht. Aktuell ist Radau mit dem Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir und der Bundesumweltministerin Steffi Lemke zu diesem Thema im Gespräch, „Aber da muss man ein extrem dickes Brett bohren“. Sollte die Initiative erfolgreich sein, kann mit einer Umsetzung allerdings erst in drei bis fünf Jahren gerechnet werden. Die Zeit drängt, wenn die Biodiversität geschützt werden soll, ist sich Radau sicher.
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