Plötzlich ist es allgegenwärtig: das E-Learning. Nicht nur Schulen, auch Hochschulen schaffen verstärkt digitale Angebote. Prof. Dr. Eik-Henning Tappe vom Fachbereich Sozialwesen der FH Münster erklärt, wo Unterschiede zur Präsenzlehre bestehen und wie wichtig eine individuelle Tagesstruktur für den Lernerfolg sein kann.
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Herr Prof. Tappe, fangen wir mit den Schulen an: Ist dort das Thema E-Learning komplett neu?
Nein, das ist es nicht. Überlegungen, einzelne E-Learning-Elemente einzubinden, gibt es schon länger, und teilweise machen die Schulen das tatsächlich. Vielleicht kurz zum Verständnis, wovon wir überhaupt reden: E-Learning meint das selbstgesteuerte Lernen durch elektronische Medien zumeist mithilfe des Internets. Damit unterscheidet es sich vom Blended-Learning-Ansatz, bei dem sich Präsenzveranstaltungen und digitales Lernen abwechseln, zum Beispiel wochenweise. Aber: Beides hat sich nicht wirklich durchgesetzt, weder in der schulischen Praxis, noch als Schwerpunkthema im Studium der angehenden Lehrerinnen und Lehrer. Das zeigt sich jetzt: Viele wissen nicht, wie sie mit dem Thema umgehen sollen, da zum Beispiel auch die Kenntnis um geeignete Methoden und um die didaktische Gestaltung der digitalen Lernumgebungen fehlt. Das sieht bei uns an der Hochschule zum Glück ganz anders aus. Das Thema E-Learning ist an der FH Münster überhaupt nicht neu. Die Technik ist seit Jahren vorhanden, viele Lehrende sind in dem Bereich schon lange aktiv und haben bereits digitale Angebote entwickelt.
Wie unterscheidet sich E-Learning von Präsenzveranstaltungen?
Beim E-Learning geht es nicht darum, den analogen Unterricht abzubilden. Denn Studierende, Schülerinnen und Schüler lernen mit elektronischen und digitalen Medien anders. Das muss jedem klar sein, der ein Online-Angebot kreieren will. Wer mit Medien am Bildschirm lernt, nimmt das komplett anders wahr als eine Präsenssituation. Man fokussiert sich sehr stark auf den Inhalt, während man bei einer Präsenzveranstaltung gleich mehrere Eindrücke verarbeitet. Das Arbeiten am Bildschirm muss regelmäßig unterbrochen werden, damit das Gehirn verarbeiten kann, was es sieht. Deshalb sind zum Beispiel Lehrvideos von 30 Minuten oder einer Stunde kontraproduktiv, weil diese Dauer nicht zum Wahrnehmungsapparat des Menschen passen. Gut gemacht ist E-Learning ein tolles Angebot. Aber wegen der rasanten Entwicklung rund um das Thema Coronavirus fehlte vielerorts die Zeit, sich methodisch und didaktisch darauf einzustellen. Wie lehre ich digital, wenn meine Zielgruppe zum Beispiel nicht nebeneinandersitzt und ich dennoch alle „erreichen“ muss? Das ist gar nicht so einfach.
Wo bekommt man Unterstützung bei der Entwicklung von Online-Lehre?
Lehrerinnen und Lehrer informieren sich am besten beim Schulministerium des jeweiligen Landes. Dort gibt es viele Angebote und Tipps, welche Tools man nutzen kann und sollte. Das sind alles aber nur Hinweise, keine Vorschriften. Im Endeffekt entscheidet das Schulamt beziehungsweise die eigene Schule, was gemacht werden sollte und was nicht. Bei uns an der Hochschule helfen das Wandelwerk, die Datenverarbeitungszentrale und die Bibliothek. Die Unterstützung ist groß, auch bei Fragen zur Technik und zur Didaktik. Außerdem ist der kollegiale Austausch enorm: Wir am Fachbereich Sozialwesen haben zum Beispiel schon viele Erfahrungen im Bereich Online-Lehre gesammelt und geben diese gern an andere Kolleginnen und Kollegen weiter.
Was sollen Studierende, Schülerinnen und Schüler beachten?
Studierende, Schülerinnen und Schüler sitzen jetzt zuhause und lernen, das ist ein komplett eigenes Setting. Lerninhalte werden anders präsentiert, und daran sind viele nicht gewöhnt. Damit das funktioniert, ist die Tagesstruktur extrem wichtig. Die unterscheidet sich aber vom klassischen Schul- oder Hochschultag, bei dem Unterrichts- und Vorlesungszeiten vorgegeben sind. Jetzt muss jeder selbst den Ablauf finden, der für ihn am besten passt. Das können mehrere Stunden am Vormittag sein, andere lernen lieber abends oder brauchen mehrere kurze Pausen. Wichtig ist es, einen Plan zu haben und den durchzuziehen. Gerade bei jüngeren Schülerinnen und Schülern funktioniert das nicht ohne die Begleitung durch die Eltern.
Wie gestalten Sie Ihr E-Learning-Angebot?
In coronafreien Zeiten mache ich viel Präsenzlehre mit digitalen Instrumenten, über die Studierende online zusätzliche Informationen und Arbeitsmaterialien abrufen können. Aufgrund der aktuellen Lage planen wir am Fachbereich Sozialwesen einen Methodenmix mit Hilfe von Texten, Lernvideos, diversen digitalen Tools und natürlich unserer zentralen Lernplattform Ilias. Außerdem werden wir Livestreams über Zoom oder Adobe Classroom machen, um Seminarsituationen abzubilden. Die Studierenden schalten sich im Chat dazu oder können sich in eigenen virtuellen Räumen in Gruppen besprechen.
Was denken Sie: Wie geht es mit dem E-Learning nach Corona weiter?
Ich würde mir wünschen, dass wir digitale Angebote noch mehr an den Schulen und Hochschulen einbinden. Die Medien, die Studierende und Schüler im Alltag nutzen, sind nicht nur Konsumgüter, sondern auch ein gutes Instrument, um selbstständig und handlungsorientiert zu lernen sowie kreativ zu arbeiten. Natürlich sollen digitale Angebote nicht die Präsenzlehre ersetzen, aber sinnvoll genutzt können E-Learning und der Einsatz digitaler Medien eine gewinnbringende und in der heutigen Zeit notwendige Erweiterung sein.
Prof. Dr. Eik-Henning Tappe lehrt seit dem Wintersemester 2018/2019 Digitalisierung und Medienpädagogik am Fachbereich Sozialwesen der FH Münster. Er hat nach seinem Lehramtsstudium am Institut für Erziehungswissenschaft der WWU Münster promoviert. Zuletzt war er Referent für Medienbildung im städtischen Medienzentrum Hamm.
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