Die Grünen sind ohne Frage im Aufwind, auch wenn die Umfragen für die Kommunalwahl am 13. September nicht so ein hohes Ergebnis wie bei der Europawahl im letzten Jahr voraussagen. Da wurden sie mit 36,6 % sogar stärkste Partei in Münster. Die nun prognostizierten Zahlen von WDR und Westfälischen Nachrichten liegen mit 29 bzw. 30 % immerhin deutlich über dem Ergebnis der letzten Wahl zum Stadtrat 2014 (20,1 %). Von diesem Zuspruch will auch der OB-Kandidat der Grünen profitieren, allerdings ist Peter Todeskino in Münster längst nicht so bekannt wie der Amtsinhaber Markus Lewe. Der gebürtige Oldenburger Todeskino (dessen Namen man übrigens auf der zweiten Silbe betont) war nämlich einige Jahre Stadtrat und Bürgermeister in Kiel, bis er 2018 nach Münster zurückkam. Falls es zu einer Stichwahl kommt, wird wahrscheinlich er der Herausforderer von Lewe sein.
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Wie bewältigen Sie und Ihre Partei den Wahlkampf unter Corona-Bedingungen?
Wahlkampf bedeutet für uns Grüne, unsere Ideen und Vorstellungen für die Kommunalpolitik mit Bürger*innen zu diskutieren. Ihre Meinungen zu hören und in unsere Pläne einzuarbeiten. Ich vermisse die sonst üblichen persönlichen Kontakte und zahlreicheren großen Podiumsdiskussionen. So habe ich zum Schutz der Bürger*innen und zum Eigenschutz auf einen Haustürwahlkampf verzichtet. Dennoch führen wir einen sehr intensiven und direkten Bürgerdialog: an unseren Wahlkampfständen, im Internet und auf kleineren bzw. Podien im Freien. Unsere aktiven Mitglieder sind sehr kreativ und findig. Trotz der erschwerten Bedingungen gelingt es uns gut, die für die demokratische Willensbildung nötigen gesellschaftlichen Diskussionen zu führen.
Wohnraum ist in Münster schon lange knapp und wird immer teurer – was werden Sie und Ihre Partei dagegen tun?
Wir Grüne machen Wohnen bezahlbar, indem wir unsere städtische Wohnungsbaugesellschaft stärken und unser Unternehmen mehr geförderten Wohnraum schafft. Wir überlassen und den sozialen Wohnungsbau nicht allein dem freien Markt. Wir werden die sozial gerechte Bodennutzung der Stadt weiterentwickeln und den Anteil der Sozialwohnungen bei der Vermarktung städtischer Grundstücke auf 80 Prozent erhöhen. Mehr bezahlbarer Wohnraum kann entstehen, wenn städtische Grundstücke nach Startmiete und Konzepten vergeben werden, die gemeinschaftliche und genossenschaftliche Wohnprojekte fördern. Wir motivieren hier, Münsteraner*innen im Wohnungsmarkt in ihre Stadt investieren. Die bereit vorhandenen Bauflächen werde ich als frisch gewählter und sehr versierter OB – ich war 12 Jahre Stadtbaurat der Landeshauptstadt Kiel – schneller entwickeln und alle Baugenehmigungsverfahren verschnellern.
Wie sieht in Ihren Augen eine vernünftige Verkehrspolitik für Münster aus? Was wollen Sie und Ihre Partei davon in den nächsten Jahren umsetzen?
Zu einer menschengerechten Stadt gehören eine klimafreundliche Verkehrspolitik und eine ökologische, sichere Mobilität für alle. Wir Grüne setzen uns für eine gerechte Verteilung der Verkehrsflächen in unserer Stadt ein, für eine Stärkung des ÖPNV, für freie Wege für Fußgänger*innen und ein Radnetz, das Münster wieder zur Fahrradhauptstadt macht – mit Velorouten, breiten und komfortablen Radwegen und 10.000 Fahrradbügeln in Innenstadt. Wir Grüne schaffen eine Verkehrswende, die das Prinzip der autogerechten Stadt endgültig hinter sich lässt, indem wir die Altstadt im Dialog mit allen Beteiligten bis 2025 autofrei machen, Wege für Fußgänger frei halten – breit, sicher, attraktiver ohne Gehwegparker. Busse werden mit Priorität bei der Verkehrsplanung behandelt. Vorrang mit Busspuren, niedrigen Ticketpreisen und an Ampeln. Ich setze die S-Bahn Münsterland viel schneller als der noch amtierende OB auf die Schiene!
Welche 3 Dinge wollen Sie und Ihre Partei nach einer erfolgreichen Wahl zuerst für Münster durchsetzen? (Wenn Sie im Stadtrat die erforderliche Mehrheit dafür gewinnen können)
Die Verkehrswende, um die Aufenthaltsqualität in der Stadt für alle zu steigern. Konkret: Die autofreie Altstadt bis 2025 und ein Modellprojekt für nachhaltigen Verkehr (Bus, Bahn, Fahrrad, Mobilitätsstationen) statt der B51-Autobahn nach Telgte.
Klimaneutralität bis 2030. Konkret: Bürgerwindprojekte, Solar auf jedem Dach, autarke Energieversorgung mithilfe der Stadtwerke plus Niedrigenergie-Standards in allen Neubaugebieten.
Bezahlbares Wohnen in lebendigen und sozialen Quartieren. Konkret: Große Neubaugebiete, die knappe Flächen effektiv nutzen mit Wohnungen für Menschen in allen Lebens- und Altersphasen, mit öffentlichen Flächen ohne Autos zum Treffen, Reden, Spielen.
Herr Todeskino, als Geschäftsführer der Westfälischen Bauindustrie GmbH (WBI) sind Sie vor allem für die Parkhäuser in der Innenstadt zuständig. Wie kriegen Sie das mit dem grünen Wahlkampfziel der autofreien Innenstadt in Einklang? Wem werden Sie da jetzt untreu: Ihrer Partei oder Ihrem Arbeitgeber?
Ich bleibe beiden treu. Die Bewirtschaftung von Quartiersparkhäusern als Baustein des grünen Konzepts einer autofreien Altstadt würde dem ruhenden Verkehr der Anwohner*innen dienen und entspräche damit dem Gesellschaftszweck des Gesellschaftsvertrages der WBI. Zudem würde der vom grünen Konzept vorgesehene Bau und Betrieb neuer Mobilitätsstationen an der Peripherie und Quartiersgaragen in verdichteten Lagen der WBI eine neue Ausrichtung und neue wirtschaftliche Perspektiven geben. Daher gibt es keinen Widerspruch zwischen Zuständigkeiten der WBI und meinen politischen Forderungen. Ob öffentliche Parkhäuser in der Altstadt letztlich in Quartiersparkhäuser umgewandelt werden, obliegt nach der Wahl allein dem Primat des von den Bürger*innen gewählten Rats. Ich kämpfe für eine Mehrheit, damit das Konzept der autofreien Altstadt umgesetzt werden kann.
Was unterscheidet Sie persönlich von Ihren Konkurrenten im OB-Wahlkampf in Münster?
Ich kann für mich als ehemaliger Bürgermeister, Stadtbaurat und Umweldezernent der Landeshauptstadt Kiel in Anspruch, bereits umfänglich eine Großstadtverwaltung mit über 5.500 Mitarbeiter*innen bzw. große Verwaltungseinheiten mit mehr als 1.000 Mitarbeiter*innen davon geleitet zu haben. Darin sehe ich, abgesehen vom Kandidaten der CDU, ein Alleinstellungsmerkmal. Dank langer kommunaler Verwaltungserfahrung kann ich den Wähler*innen guten Gewissens versprechen, Münsters Stadtverwaltung im Vergleich zu heute besser, schneller und effizienter zu führen. Und das ist auch bitter nötig, wie Rückmeldungen aus Bürgerschaft, Wirtschaft und selbst von Mitarbeiter*innen der Verwaltung zeigen.
Was wollen Sie als OB besser machen als der amtierende Markus Lewe?
Münsters Stadtverwaltung hat ein Umsetzungsproblem. Darin sehe ich ein Führungsproblem der Spitze. Als ehemaliger Mitarbeiter der Stadtverwaltung von Münster weiß ich, dass die Verwaltung sehr fähige Verwaltungsmitarbeiter*innen hat, die erstklassigen Service für Berger*innen leisten wollen. Berichtet wird aber immer wieder von zu langen Verfahren und lähmenden Abstimmungsprozessen innerhalb der Verwaltung. Das werde ich mit der mir eigenen kreativen Entscheidungsfreude bis hin zum Einzelfall mit hoher Verwaltungskompetenz und notwendigem Pragmatismus ändern. Ich werde mich als OB und die Dezernenten in die Pflicht nehmen, Geschäftsprozesse zu verändern und zu verschnellern. Dafür werde ich eine aus Mitarbeiter*innen bestehende Stabsstelle gründen, die die Optimierung und Reorganisation der Verwaltungsabläufe vorantreibt. Die Bürger*innen werden erleben, dass ich mich mit hoher Verantwortung um Münsters Verwaltung und Angelegenheiten persönlich kümmern werde.
Vertreter welcher anderer der jetzt zur Wahl angetretenen Parteien nervt Sie persönlich gerade besonders? Und warum?
Politische Auseinandersetzungen nerven mich nicht, auch wenn es mir manchmal schwerfällt, andere Auffassungen zu ertragen, zum Beispiel, wenn Herr Dr. Jung von der SPD, den Münsteraner*innen ihre Kleingärten und Sportler*innen ihre Flächen nehmen will. Auch an anderen Stellen lässt er seine Wahlversprechungen schon jetzt zur Makulatur werden. Aber klar: ich habe die Münsteraner Erklärung der OB-Kandidaten gegen Rechts initiiert. Für die Vertreter der AfD habe ich Null-Verständnis und mit Nazis in den Reihen Null-Toleranz! Dass Herr Lewe und Herr Berens die Erklärung nicht unterschrieben haben, ist für mich nicht begründbar.
Wir sind neugierig darauf, welches Unterhaltungsangebot Sie persönlich in Münster besonders gerne nutzen. Daher dürfen Sie jetzt aussuchen, auf welche der folgenden Fragen Sie antworten möchten. Hand aufs Herz: welchen Sportverein unterstützen Sie als Fan? Welches Theaterstück haben Sie zuletzt in Münster gesehen? Welches Konzert haben Sie zuletzt in Münster live erlebt? Wo möchten Sie in Münster tanzen gehen, wenn es wieder möglich ist?
Ohne Scham beantworte ich alle vier Fragen: Tanzen ist nicht so mein Ding. Fußball schon eher. Da hängt mein Herz immer am Heimatverein. Also: Preußen Münster. Im kleinen Haus habe ich im letzten Jahr mit meiner Frau die szenische Lesung „Penthesilea“ von Kleist mit Sandra Hüller und Jens Harzer angeschaut und zuletzt Dr. Ring Ding und Jan Delay auf dem Domplatz „gelauscht“.
Peter Todeskino ist 62 Jahre alt und Geschäftsführer der Westfälischen Bauindustrie GmbH. Familienstand: verheiratet Kinder: zwei In Münster zwischen 1977 und 2005, wieder seit 2018 Bisher höchstes politisches Amt: Bürgermeister und Stadtrat für Stadtentwicklung und Umwelt, Landeshauptstadt Kiel
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