Sie sind da, aber wir sehen sie nicht. Sie hinterlassen ihre Spuren, aber auch diese sehen wir nicht: die Wildtiere in Münsters Wäldern. Welche Tiere bewohnen eigentlich die Wälder in und um Münster? ALLES MÜNSTER-Redakteur Carsten Pöhler begab sich auf Spurensuche mit Michael Hewing.
Später Nachmittag, der Regen vom Mittag hat sich verzogen. Michael und ich gehen den Hauptweg der Hohen Ward entlang. Wir unterhalten uns über dies und das. Vor ein paar Jahren habe er an einem viertägigen Überlebenstraining in der freien Natur mitgemacht, erzählt Michael Hewing. Dabei sei an einem Tag auch die Fährtensuche von Wildtieren Thema gewesen. Dieses habe ihn dann nicht mehr losgelassen, so dass er sich eingehender mit dem Thema beschäftigt hat. Es folgte eine Ausbildung zum zertifizierten Fährtenleser. Auf seinen zahlreichen Trips mit dem Tarp in Norwegen und in den Alpen lernt er ständig dazu und gibt dieses Wissen nun mit „Wildlife Münster“ gerne an natur- und wildtierinteressierte Menschen weiter.
Wir verlassen den Hauptweg und betreten auf einem Nebenweg den Wald. Die ersten Spuren wilder Tiere sind schon am Wegesrand sichtbar. Für Michael – für mich nicht… Wir bleiben stehen und Michael sagt, ich solle mich umsehen. In einem Umkreis von etwa drei Metern seien eindeutige Wildtierspuren zu sehen. Ich stehe da und sehe mich um. Ich sehe nichts.
Michael lotst mich etwas näher an die Spur heran. Ein abgebrochener Zweig? Nein, wir sind hier nicht bei Winnetou. „Schau genau hin“, sagt er. „Guck nach Veränderungen und Störungen“. Dann fällt mein Blick auf den abgestorbenen Zweig eines kleinen Busches. Mein erster Gedanke ist, warum dieser noch recht junge Trieb tot sein könnte. Ich schaue weiter nach unten und sehe es: Die Rinde fehlt ringsum auf einer Länge von etwa 20cm. Das ist eindeutig eine Veränderung. Ich habe die Spur eines wilden Tieres gefunden! Nun stellte sich natürlich die Frage, was es gewesen sein könnte. Ich überlege hin und her und komme auch auf die eine oder andere Idee. Letztendlich klärt Michael mich darüber auf, dass es sich hierbei um die Folge des „Plätzen“ und „Fegen“ eines Rehbocks handelt. Durch Reiben des Geweihs am Zweig und Absondern von Sekret markiert der Rehbock sein Revier.
Wir verlassen den Weg und gehen schnurstracks in den Wald. Michael schaut sich ständig aufmerksam um, bleibt immer wieder stehen, geht weiter. Ich folge ihm und versuche, vor ihm eine Spur eines wildlebenden Tieres zu entdecken. Und tatsächlich gelingt es mir. Er hat das im Durchmesser etwa 8 cm große Loch am Fuße eines Baumstammes nicht gesehen. Welches Tier dieses Loch gegraben hat, wird an dieser Stelle nicht verraten. Zukünftige Teilnehmer der Tour sollen ja schließlich auch noch rätseln können.
Wir gehen tiefer in den Wald. Immer wieder entdeckt Michael Spuren von Tieren, die es dann für mich gilt, zu suchen und vor allem zu entdecken. Manchmal sind es nur winzige Spuren, dann aber auch wieder sehr große. Ausgerechnet bei den großen Spuren tue ich mich schwer, sie zu finden. Es ist zum verrückt werden, aber mein Ehrgeiz ist geweckt. „Guck nach Veränderungen und Störungen“. Diesen Satz habe ich ständig im Hinterkopf.
In der Zivilisation hatte ich vorab noch meine Wetter-App gecheckt. Prima, es sollte trocken bleiben. Nur interessiert die Natur so eine Wetter-App aber mal gar nicht. Es beginnt zu regnen. Es stört uns nicht. Ich packe meine Kamera in den Regenschutz und weiter geht es. Der Regenschauer zieht vorüber und ich lerne immer mehr über die Lebensweise unserer einheimischen Wildtiere. Hier sind die Betten der Rehe, da suhlen sich die Wildschweine. Warum suhlen die sich eigentlich? Michael erklärt es mir.
Ich merke gar nicht, wie schnell die Zeit vergeht. Die ständige Aufmerksamkeit gepaart mit der Ruhe tief im Wald lassen die Zeit einfach mal egal sein. Ich habe nicht einmal auf die Uhr geguckt. Schön!
Kurz vor der Dämmerung zeigt Michael mir dann noch zwei Spots, an denen ich das Glück haben könnte, Wildscheine oder auch Damwild zu fotografieren. Leider ließ sich dort aber noch niemand blicken.
Es ist schon dunkel, als wir die Hohe Ward wieder verlassen. In den drei Stunden, die wir im Wald unterwegs waren, habe ich sehr viel über unsere wildlebenden Nachbarn und deren Lebensweise lernen können. Wir haben viele verschiedene Spuren von etlichen Tierarten finden können. Leider hat sich keines dieser Tiere blicken lassen. Das mag auch an den Vögeln gelegen haben, die uns wortwörtlich „verpfiffen“ haben. Dieses zentrale Warnsystem innerhalb der unterschiedlichen Tierarten funktioniert weltweit, auch das weiß Michael.
Nachts wenn die Vögel schlafen und nicht warnen, besteht aber durchaus die Möglichkeit, kleine und auch sehr große wilde Tiere in den Wäldern zu sehen. Hierfür bietet Michael Hewing seine Nachtführungen mit Nachtsichtgerät an. Ab 2022 sind dann auch verschiedene Kurse für Kitas und Schulen im Angebot. Die Planungen hierfür sind in vollem Gange. Informationen hierzu findet man dann auf www.wildlife-muenster.de. Dort und auf Facebook und Instagram kann man schon jetzt viele Aufnahmen seiner Wildkameras und Nachtspaziergänge abrufen.
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