Laut einer empirischen Studie gibt es einen deutlichen Zusammenhang zwischen populistischen Parteien und ihrer intensiven Nutzung der Social-Media-Plattform Facebook. Politikwissenschaftler der Westfälischen Wilhelms-Universität (WWU) Münster haben herausgefunden, dass politische Parteien Facebook auf höchst unterschiedliche Weise nutzen. Insbesondere populistische Parteien in Europa sind demnach aktiver als andere Parteien. Dieser Trend ist vor allem in Westeuropa ausgeprägt.
Politologen bezeichnen Parteien als populistisch, wenn sie sich beispielsweise durch die Ablehnung von Eliten, die Betonung der vermeintlichen Volkshomogenität und die Behauptung eines unterstellten Allgemeinwillens auszeichnen. Für seine Untersuchung hat Jan Philipp Thomeczek rund 627.000 Beiträge von entsprechenden Parteien auf 226 Facebook-Konten ausgewertet. Mit seinen Ergebnissen bestätigt er erstmals, was viele Beobachter bereits vermutet haben: Der Aufstieg populistischer Parteien steht in Verbindung mit der zunehmenden Bedeutung sozialer Medien in der politischen Kommunikation. Die Studie wurde im Journal „Party Politics“ veröffentlicht und ist frei zugänglich.
Unterschiede zwischen den Ländern
Thomeczek hat große Unterschiede zwischen den Ländern festgestellt. In Deutschland veröffentlichten die aktiveren Parteien im untersuchten Zeitraum durchschnittlich 2,5 Beiträge pro Tag. Im Gegensatz dazu veröffentlichte die rechtspopulistische Partei „Lega“ aus Italien durchschnittlich 34 Beiträge täglich. Der europäische Durchschnitt lag bei 1,7 Beiträgen. „Damit war die ‚Lega‘ zwanzigmal aktiver als die übrigen Parteien in Europa“, erklärt der Politikwissenschaftler. In dieser Vielzahl von Beiträgen sieht er einen Grund für den Wahlerfolg der „Lega“, die seit einigen Jahren in Italien an der Regierung ist.
„Deutschland ist ein Sonderfall, da zahlreiche Beiträge der ‚Alternative für Deutschland‘ nicht zugänglich sind – sie könnten gelöscht oder ausgeblendet worden sein“, betont Jan Philipp Thomeczek. Auch in Deutschland scheint es nach Ansicht des Wissenschaftlers eine Strategie zu sein, Facebook als Alternative zu den etablierten Medien zu nutzen. Die AfD fällt besonders durch ihre langen Beiträge auf. Die Populisten stoßen auf Resonanz und erreichen so ein größeres Publikum als über Massenmedien wie Zeitungen und Rundfunk. „Auf diese Weise entsteht eine Art neuer Kanal ohne journalistische Filter“, erläutert der Politikwissenschaftler.
Zur Methode
Die Forschungsergebnisse sind Teil der Dissertation von Jan Philipp Thomeczek am Lehrstuhl „Vergleichende Politikwissenschaft – Kommunal- und Regionalpolitik“ von Prof. Dr. Norbert Kersting. Der Doktorand hat die Daten mit der Software „Facepager“ und der Plattform „Crowdtangle“ erhoben, die einen wissenschaftlichen Zugang zu Facebook-Daten ermöglicht. Darüber hinaus hat er Zahlen aus der Expertenbefragung „POPPA (2018)“ zu den relevantesten Parteien in Europa aus dem Jahr 2018 verwendet, um eine wissenschaftliche Messung des Populismus zugrunde zu legen. Die Skala reicht von 0 (nicht populistisch) bis 10 (sehr populistisch). Für den Zeitraum von 2017 bis 2019 hat Thomeczek die Facebook-Aktivitäten aller Parteien mit dem POPPA-Datensatz verknüpft. Der endgültige Datensatz umfasste 627.711 Beiträge von 226 Facebook-Konten der Parteien. Die Liste der Partei-Accounts hat er für weitere wissenschaftliche Analysen frei zur Verfügung gestellt.
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