Es mag einigen nicht bekannt sein, doch Karneval bedeutet nicht nur bunt kostümiert und laut. Karneval kann auch elegant sein. In einem rauschenden Ball anlässlich ihres 77. Jubiläums feierte die KG Böse Geister das Leben, den Zusammenhalt und sich selbst.
Der Festsaal im Zwei-Löwen-Klub ist voll. 140 geladene Gäste sitzen an runden, mit weißen Decken geschmückten Tischen. Schwarze Anzüge, Krawatten und festliche, zum Teil glitzernde Roben lassen auf einen niveauvollen Dresscode schließen, aber nicht auf die ausgelassene Partynacht, die vor ihnen liegt. Unter den Gästen, die hauptsächlich aus den Mitgliedern der KG Böse Geister bestehen, entdeckt man auch Skate-Legende Titus Dittmann. Er ist mit seiner typischen schwarzen Beanie-Mütze und dem darauf platzierten Narrenschiffchen doppelt behütet.
Der Prinz kütt!
Präsident Mario Engbers läutet den Abend mit einer kurzen Begrüßungsrede ein und räumt die Bühne gleich für den ersten Gast des Abends: Prinz Sascha I. Begleitet von der Musik des voran laufenden Fanfarenzuges und der im Takt klatschenden Gästeschaft marschiert das neue Narrenoberhaupt ein. Immer an seiner Seite sind seine drei Adjutanten Detlef Simon, Matthias Reck und Andre Wichtrup. Ihre Funktion geht von Assistenz über Bodyguard hin zum Babysitter, wenn es nämlich heißt: „Ab nach Hause, du musst morgen fit für deine Proklamation sein!“
Doch erst einmal heizt Prinz Sascha I. den Bösen Geistern ordentlich ein mit seinen Songs! Das Besondere: Er hat nicht etwa vorhandene Songs mit eigenem Text versehen, sondern sich an den Musiker Max von Mauritz (aka „Dr. Ring-Ding“) gewandt und von ihm völlig neue Musikstücke bekommen. „Tanz um dein Leben“ hat sich der Prinz allerdings von Henning Wehland geliehen, der bei der gestrigen Prinzenproklamation zur gesanglichen Unterstützung sogar mit auf die Bühne gesprungen ist.
Welche Freude der neue Karnevalsprinz mitbringt, kann jeder im Raum fühlen – und hören. „Sascha, als ehemaliger Karnevalsprinz gebe ich dir einen Tipp: Sing nicht so laut mit, sonst bist du nach zwei Stunden heiser“, ruft ihm Engbers scherzhaft von der Seite zu und ergänzt: „Wenn mich nicht alles täuscht, hast du noch einen, oder?“ Der Präsident wird jedoch auf Januar vertröstet. „Wir arbeiten noch daran“, so das närrische Oberhaupt.
Eine Stimme zum Dahinschmelzen
Nach tobendem Beifall und einer gefühlt um 10 Grad angestiegenen Raumtemperatur darf Sascha von Zabern seine Stimme schonen und sich an einen der Tische zurückziehen. Schließlich lauert vor der Türe schon der nächste Act. Und bevor dieser überhaupt für alle Gäste sichtbar ist, erfüllt seine gewaltige Stimme schon den gesamten Raum. Der Kölner Tenor Norbert Conrads schreitet zu dem Disney-Hit „Circle of life“ durch die Menge und entlockt den weiblichen Geistern ein zartes „Hach“.
„Ich kann mich noch genau an meine Taufe zum Ehrengeist erinnern und habe immer gehofft, dass du mich nochmal anrufst!“ wendet er sich an den Moderator Ralf „Eppi“ Ebbing. Der erfahrene Musical- und Opernsänger war auch schon Gastsänger bei der Kölner Band „Paveier“ und trifft mit deren Textzeilen „Heimat es jo nit bloß e Woot nur, Heimat es do wo du nit abseits stehs“ mitten in das Herz der stolzen Münsteraner. Conrads ist die personifizierte karnevalistische Eleganz.
„Was nun folgt, ist ein richtiges Kontrastprogramm“, kündigt Engbers an. Und behält Recht. Mit dem Junioren-Tanzpaar der KG Freudenthal weht plötzlich ein frischer, junger Wind durch den Festsaal. Emil, der Sohn von Prinz Sascha I., und seine Tanzpartnerin Emilia beeindrucken mit einer akrobatischen Performance, die bei manch einem womöglich die Sehnsucht nach Zeiten weckt, in denen man ebenso viel Energie hatte. Mitten in dieser Zeit steckt das Jugendprinzenpaar, Lara Marie Tomas und Bert Müller. Und noch etwas kann man den beiden nachsagen: Eine karnevalistische Genetik.
Ist Karneval vererblich?
Lara Marie (17) konnte in der letzten Session hautnah miterleben, wie es ist, ein Narrenoberhaupt zu sein. Ihr Vater ist nämlich niemand geringeres als Prinz Jens I. Und Bert Müller (18) findet in seinem Familienstammbaum sogar gleich zwei ehemalige Stadtprinzen: seinen Urgroßvater Carl „Pinkus“ Müller und dessen Sohn Klaus Müller. Der Comedian Oli der Köbes rundete das Showprogramm am Freitagabend mit seiner humoristischen Einlage ab. Sein Motto: „Witze sind dazu da, um uns emotional zu entlüften.“
Und weil Musik dazu da ist, um unsere Knochen zu bewegen, sitzt um Mitternacht niemand mehr auf seinem Platz. Die Bühne wird zur Tanzfläche, das Licht wird gedimmt und die Band „Musica é“ schöpft aus einem vollen Partyhits-Koffer. Und wisst Ihr, wann die letzten Gäste den Ball verlassen haben? Richtig, zur Geisterstunde.
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