Wer ist es nicht leid, über Corona zu sprechen, zu lesen, zu hören und sich an Maßnahmen zu halten, gerade im Sommer. Dabei ist es wichtig, denn wir stecken mitten in einer Sommerwelle und noch ist die Pandemie nicht vorbei. Die gute Nachricht: Jeder kann helfen, sie zu beenden. Dr. Hans-Albert Gehle, Präsident der Ärztekammer Westfalen-Lippe und Univ.-Prof. Dr. Alex W. Friedrich, Ärztlicher Direktor und Vorstandsvorsitzender des UKM, verraten wie das geht, wie die aktuelle Pandemie-Lage ist, was im Herbst auf uns zukommt und was sich bei Impfstoffen und Medikamenten tut.
„Die Situation ist wegen der Sommerwelle mit doch deutlich mehr infizierten Mitarbeitenden als in den vergangenen beiden Sommern angespannt. Hinzu kommt, dass viele im Urlaub sind. Wenn sie jetzt alle aus dem Urlaub zurückkommen, dann sehen wir wieder vermehrt Infektionen. Es wird angespannt bleiben“, schätzt Professor Dr. Friedrich die derzeitige Situation ein und Dr. Gehle ergänzt: „Wir müssen konkret damit rechnen, dass auch die Intensivkapazitäten wieder äußerst knapp werden. Darum nochmal die dringende Empfehlung, wirklich für jeden a) sich mindestens drei Mal impfen zu lassen, b) wenn es eine neue Impfung gibt, sich nochmal impfen zu lassen und c) sich an die AHA-Regeln und AHL-Regeln zu halten.“
Was passiert im Herbst?
Der nächste Herbst wird also wie der letzte Herbst, daran wird sich zunächst nichts ändern. „Wir müssen lernen damit umzugehen, dass besonders in den Wintermonaten Druck entsteht. Es gibt zwei zu erwartende Peakmomente, einmal im Oktober und November und zwischen Mitte Januar und Mitte Februar. Für alle respiratorischen Virusinfektionen ist das die Hauptsaison. Die Welle wird aber nicht tsunamiartig wie am Anfang der Pandemie“, erklärt Professor Dr. Friedrich. Es gibt verschiedene Maßnahmen, die eingesetzt werden, um das zu verhindern und gut durch Herbst und Winter zu kommen. „Das Maskentragen sollte relativ früh beginnen, weil wir mit hohen Zahlen aus dem Sommer kommen. Natürlich gelten weiter die AHA-Regeln, das heißt Maske tragen, Hände bei sich behalten und eben auch desinfizieren. Wir hoffen, dass wir parallel dazu eine neue Impfung bekommen“, beschreibt Dr. Hans-Albert Gehle den Plan für die kalte Jahreszeit. Wenn der Peak kommt, passiere innerhalb von Wochen alles gleichzeitig. „Viele Leute kommen ins Krankenhaus, weil sie Corona haben, aber auch Notfallpatienten und solche mit anderen Erkrankungen kommen, zudem werden Mitarbeiter krank. Das setzt das Gesundheitssystem unter massiven Druck. Eine Lösung, um das aufzufangen, könnte sein, dass man die gesamte Versorgungskapazität einer Region in der Krise gemeinsam nutzt“, so der Vorschlag des Ärztlichen Direktors des UKM.
Jeder Stich zählt
Unter den Maßnahmen ist „die Impfung der entscheidende Gamechanger, der Menschenleben rettet und der uns schrittweise aus der Pandemie zu regionalen Epidemien und zur normalen, saisonal immer wieder auftretenden Infektionskrankheit bringt, mit der wir umgehen können“, sagt Dr. Friedrich. Die Impfung, die wir jetzt haben, verhindere zwar nicht, dass sich das Virus übertrage, aber es sei ein Unterschied, ob man geimpft drei Tage lang krank sei und das Virus sich im Körper vermehre oder zehn Tage ohne Impfung. „Biontech und Moderna haben beide angekündigt, zum kommenden Herbst hin einen neuen Impfstoff zu haben. Ich hoffe natürlich, dass dieses Versprechen eingehalten wird“, so Gehle.
Infektion verhindern, statt behandeln
Die letztmögliche Maßnahme bei einer Coronainfektion ist es, ein Medikament zu geben. Es gibt Medikamente, aber es gibt nicht ein einziges Mittel, das in allen Phasen der Infektion hilft. Die meisten Medikamente müssen sehr früh genommen werden. „Ganz am Anfang, wenn ich die erste Müdigkeit merke, müsste ich einen Test machen und wenn der positiv ist, brauche ich innerhalb von Stunden das Medikament, dann wirkt es. Nach ein paar Tagen sollte man es nicht mehr geben, da ist es genauso gut wie Wasser. Dann braucht man ein anderes Medikament,“ erklärt Friedrich die Situation. „Dann ist da die Frage der Nebenwirkungen“, ergänzt der Präsident der Ärztekammer, „und wie bekommt der Hausarzt dieses Medikament, weil er ja derjenige ist, der es anordnen müsste – da gibt es Nachbesserungsbedarf. Wir als Ärztekammer klären da auf, aber bis auf die Medikamente, die wir bis jetzt in dieser frühen Phase kennen, gibt es für die Phase der schweren Erkrankung nichts Neues.“
„Behandlung ist immer ‚reparieren‘ und bei Infektionskrankheiten ist ‚reparieren‘ eigentlich immer zu spät,“ so Professor Dr. Friedrich „und Infektionskrankheiten verbreiten sich so schnell, da kommt man mit ‚reparieren‘ nicht hinterher. Man muss ‚reparieren‘, wenn es nicht verhindert werden konnte, aber man muss vor allem verhindern – durch Standardhygienemaßnahmen und vor allem durch die Impfung. In der Kombination wird es eine normale Infektionskrankheit, mit der wir gut leben können.“