Eigentlich ist es in der zweiten Oktoberhälfte schon ein wenig kalt für Open-Air-Konzerte. Für die schwedischen Hardrockerinnen von Thundermother bewahrheitet sich ihr Tourmotto „Heat Wave“ jedoch an diesem Mittwochabend. Dank überraschend warmer Temperaturen und dem weitgehenden Ausbleiben des angekündigten Sturms muss auf der Terrasse des Jovel Clubs niemand frieren. Auf der Bühne hingegen tobt im positivsten Sinne ein musikalisches Donnerwetter.
Sowohl dem Bandnamen als auch dem Motto der Tour werden die vier Damen dann auch mehr als gerecht. Dass Thundermother als wohl einzige Band auch während Corona allen Widrigkeiten trotzen und ausgiebig unterwegs sind, hat uns Schlagzeugerin Emlee Johansson bereits im Interview verraten. Besser als mit dem Opener „Whatever“ könnte man diesen Abend also kaum einläuten. Dabei wird vom ersten Ton an klar, dass hier keine halben Sachen gemacht werden oder des coronabedingt an Tischen sitzenden Publikums wegen gar mit Halbgas gefahren würde.
Vielleicht sogar noch ein wenig spielfreudiger als sonst – immerhin ist Münster der Tourauftakt des dritten Teils der „Heat Wave“-Tour – beginnt ein Streifzug durch das bisherige Schaffen der Band, jedoch mit besonderem Fokus auf das neue, Ende Juli erschienene Album. Besonders positiv fällt hierbei die Rhythmusgruppe auf. Während Emlee Johansson in feinster Bonham-Manier ebenso energisch wie präzise auf ihr Schlagzeug eindrischt, vollendet Bassistin Majsan Lindberg das Sound-Fundament mit knurrendem, aber überaus druckvollem Bass.
Den rauen, aber ausgesprochen passenden Sound komplettiert Gitarristin Filippa Nässil, die Ihre Virtuosität unter anderem im Solo zu „Hellevator“ mit Auszügen aus dem „Mission Impossible“-Thema und dem Iron-Maiden-Klassiker „The Trooper“ und ihrem, selbstverständlich maskiert und mit Abstand durchgeführten, Spaziergang durchs Publikum unter Beweis stellt. Sängerin Guernica Mancini, die sich ob der recht geringen Deckenhöhe der Bühne zeitweise wie King Kong fühlt, überzeugt von Anfang an mit ihrem stimmlichen Repertoire zwischen druckvoller Klarheit und rotziger Rock‘n‘Roll-Röhre.
Die großen Vorbilder der Schwedinnen hört man dabei immer heraus, jedoch auf unverwechselbare Art interpretiert. Während der geradlinige und durchweg auf den Punkt gespielte Groove auch AC/DC stolz machen würde, scheint neben einigen Van-Halen-Anleihen im Gitarrenspiel vor allem eine große Liebe zu hartem Rock‘n‘Roll im Stil von Motörhead durch, deren ikonischem Frontmann Lemmy Kilmister in „Deal With The Devil“ eine würdige Hommage zuteil wird.
Dass aus diesen Einflüssen ein eigenständiger Sound mit ohrwurmtauglichen Songs erwachsen ist, zeigen vor allem die Highlights des „Heat Wave“-Albums. Während „Into The Mud“ eine Hymne an den Festivalschlamm ist – Besucher des Wacken Open Air sind mit diesem besonderen Kitt, der die Metal-Community zusammenhält, bestens vertraut – beweist „Dog From Hell“ auch live die Qualitäten, die ein zukünftiger Klassiker braucht: hier stimmen Groove, Wiedererkennungswert und Text.
Den Biergarten als Austragungsort dieser Veranstaltung vergisst man als Zuschauer vor allem dann ganz schnell, wenn mit „Revival“ eine lupenreine Stadionhymne durch den Innenhof fegt. Mit „Driving In Style“ geht es dann mit Vollgas auf das Ende des Abends zu, bevor zum Beastie-Boys-Cover „Fight For Your Right“ von Band und Publikum noch einmal – zumindest im Rahmen der coronabedingt eingeschränkten Möglichkeiten – alles gegeben wird. Insgesamt ist der Abend ein lautstarker Beweis dafür, dass sich Durchhaltevermögen und eine unbedingte Liebe zur Musik und zum Rock‘n‘Roll auch in schwierigen Zeiten sowohl für das Publikum als auch für die Band auszahlen können.
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