Es braut sich etwas zusammen über dem bislang relativ harmonischen Nebeneinander von Ärzten und Apothekern, die Ärztekammer Westfalen-Lippe mit Sitz in Münster spricht in ihrem Newsletter „Kompass“ sogar von einer Gefahr für die Patientensicherheit. Die Empfehlung „fragen Sie Ihren Arzt oder Apotheker“ soll zukünftig nicht nur für Risiken und Nebenwirkungen von Medikamenten sondern auch für Grippeschutzimpfungen gelten. Bislang dürfen diese nur von Ärzten durchgeführt werden.
Eine entsprechende Änderung der Berufsordnung, beschlossen durch Vertreter der Apothekerkammer Westfalen-Lippe (AKWL) beheimatet am münsterschen Aasee, soll dies nun ändern. „Ab 2020 dürfen Apotheker, zunächst im Rahmen von Modellprojekten, gegen Grippe impfen“, berichtet Michael Schmitz, Sprecher der AKWL. Anlass ist ein entsprechender Vorstoß des Bundesgesundheitsministers, „Spahn hat beobachtet, dass zum Beispiel in Frankreich die Impfquote wesentlich höher liegt als in Deutschland. Dort dürfen Apotheker gegen Grippe impfen“, wie Schmitz erläutert. Ein erstes, auf drei Jahre angelegtes Modellprojekt, soll noch in diesem Jahr in Nordrhein starten.
Bei der Ärzteschaft stößt dies auf wenig Begeisterung, „Apotheker haben Pharmazie studiert und nicht Medizin. Eine Impfung umfasst mehr als einen Pieks in den Oberarm. Dem Apotheker fehlen das Studium und die Berufserfahrung in der Medizin“, stellt Michael Niesen, Hausarzt in Metelen und zweiter Vorsitzender des Hausärzteverbandes Westfalen-Lippe, klar. Er vermutet zudem, dass es den Apothekern bei der Änderung der Berufsordnung vor allem darum geht, finanzielle Verluste durch die Zunahme der Online-Apotheken abzufangen. Die Vertreter der Ärztekammer Westfalen-Lippe (ÄKWL) befürchten, dass bei Komplikationen wie etwa einer allergischen Reaktion auf den Impfstoff, eine schnelle ärztliche Hilfe nicht möglich sei.
Dass Apotheker nicht einfach aus dem Stand anfangen können, „am Verkaufstresen“ zu impfen, wie es der Präsident der ÄKWL, Dr. Hans-Albert Gehle befürchtet, ist Michael Schmitz bewusst: „Zunächst muss der Apothekerverband Rahmenverträge mit den Krankenkassen abschließen. Dann finden Schulungen und Fortbildungen statt. Außerdem muss ein geeigneter Raum mit Sitzmöglichkeiten und Liege vorliegen. Das alles noch vor Beginn der nächsten Impfphase umzusetzen, die meist Ende Oktober beginnt, ist sehr ambitioniert!“
Die Impfung durch den Apotheker ist nur eine von mehreren Varianten, die zu einer besseren Impfquote führen könnten. „Im Kreis Coesfeld wurde durch die Apotheken verstärkt über die Grippeschutzimpfung informiert, dies hat bereits zu einem deutlichen Anstieg der Impfungen durch die Hausärzte geführt“, berichtet der Sprecher der Apothekerkammer. Denkbar wären auch Impftermine in Apotheken, die durch Ärzte durchgeführt werden. „In jedem Fall dürfte es, als Folge der Corona-Pandemie, in diesem Herbst bundesweit zu einem sehr deutlichen Anstieg der Impfbereitschaft kommen.“
Impfungen in den Apotheken könnten die Wartezimmer der Hausärzte entlasten. Der Annahme, dass es schwierig sei, beim Hausarzt zeitnah einen Termin zu bekommen, wiederspricht Niesen allerdings nachdrücklich: „Hier unterliegen Sie einer falschen Information. Es ist nicht schwierig, beim Hausarzt Termine zu bekommen, insbesondere nicht für Impfungen! Die überwiegende Mehrheit der Hausarztpraxen arbeitet ohne Terminsprechstunden, diese finden überwiegend in den Facharztpraxen statt. Bei Hausarztpraxen, die mit Terminen arbeiten, gibt es ausreichend Pufferzeiten, in denen jederzeit Impfungen durchgeführt werden können. Außerdem werden zu Zeiten der Grippeimpfungen von Hausärzten spezielle Impfzeiten, teilweise auch an Samstagen, angeboten.“
Den Apothekern gehe es nicht darum, den Ärzten etwas wegzunehmen, wie Michael Schmitz betont: „Wir glauben, dass es keine Verlagerung von der Arztpraxis zu den Apotheken geben wird, sondern dass es insgesamt zu einer Zunahme der Impfungen kommt.“ Diese ist aus Sicht von Ärzten und Virologen auch dringend notwendig. Nach Angaben des Deutschen Ärzteblatts liegt die Grippe-Impfquote in Deutschland bei rund 35 Prozent, empfohlen werden laut Weltgesundheitsorganisation WHO jedoch 75 Prozent bei den über 60-Jährigen, um eine ausreichende Herdenimmunität zu erreichen. „Wir müssen sehen, dass wir gemeinsam die älter werdende Gesellschaft gut versorgen. Wir wollen auf keinen Fall das gute Verhältnis zwischen Ärzten und Apothekern verschlechtern!“, wie Schmitz sehr klar sagt. Genau dies droht laut Michael Niesen, wenn die Apotheker Ernst machen mit ihren Plänen zur Grippeschutzimpfung: „Das von Herrn Bundesgesundheitsminister Jens Spahn vorangetriebene Impfen in Apotheken wird einen Keil zwischen die Apotheker und die Ärzte treiben. Es bleibt abzuwarten, ob dies zum Vorteil von den Apothekern sein wird.“ Zu einer weiteren Verschärfung könnte es kommen, wenn es eine Corona-Schutzimpfung gibt, „Hier ist eine ärztliche Kontrolle unerlässlich“, ist sich ÄKWL-Präsident Gehle sicher.
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