Wer etwas für seine Allgemeinbildung tun möchte, kommt am Stadttheater nicht vorbei. Regelmäßig werden hier neben modernen Stoffen auch Klassiker aufgeführt. Am 25. März feierte ein solcher Premiere: „Der Freischütz“ von Carl Maria von Weber zählt zu den bekanntesten deutschen Opern.
Das dunkelromantische Singspiel ist fast 200 Jahre alt – 1821 wurde es in Berlin uraufgeführt und sogleich frenetisch gefeiert. Es diente unter anderem der Nationalbewegung in den 1850er Jahren als Projektionsfläche. Bis heute hat die Oper zahllose Nachahmungen, Interpretationen und Parodien erfahren. Zuletzt zeigte das Stadttheater 2014 „The Black Rider“, ein Musical von Tom Waits, William S. Burroughs und Robert Wilson , das lose an die Freischütz-Vorlage anknüpft.
Der klassische Stoff wurde von Regisseur Carlos Wagner für die aktuelle Inszenierung behutsam modernisiert. Im Interview erklärt er dazu: „Was im Stück geschieht, ist eigentlich die Geschichte eines Konfliktes, der sich immer mehr zuspitzt. Dann kommt ein Deus Ex Machina und sagt: Die Lösung besteht aus Beten und Gottvertrauen. Dann sind alle zufrieden und wir gehen alle ganz beruhigt nach Hause … Das konnte man doch noch nie ehrlich verkaufen, aber heutzutage noch weniger.“
Was also tun mit einer Geschichte, die vom Regisseur nicht ganz ernst genommen wird?
Die Jagdgesellschaft erinnert entfernt an Münsters Schickeria, die umworbene Agathe trägt ein fast ganz schwarzes, schlichtes Kleid; das Wohnzimmer, in dem sie sich aufhält, stammt unverkennbar aus den spießigen 50er Jahren und Kaspar, der sich im Wald finsteren Mächten versprach, hat einen großen Hirschen auf die Brust tätowiert. Das Bühnenbild ist die ganze Zeit über wunderbar reduziert und sehr düster. Der Teufel sieht als Clownsfratze richtig beängstigend aus, Nebelschwaden wallen neben Tierkadavern, Baumwurzeln recken ihre dürren Arme gespenstisch nach allen Seiten aus und die berühmten Kranzjungfern, eigentlich Symbole von Reinheit und Fröhlichkeit, kommen gleich in schwarzen Trauerkleidern auf die Bühne.
Das passt, denn der Stoff ist so dunkel wie romantisch: Jäger Max ist ein treffsicherer Schütze und hat sich die Hand der Erbförstertochter Agathe verdient. Doch ein alter Brauch verlangt, dass er die Geliebte nur heiraten darf, wenn er zuvor mit seinem ersten Schuss ein Tier trifft. Ausgerechnet am Tag vor dieser Bewährungsprobe ereilt Max eine Pechsträhne nie dagewesenen Ausmaßes. Er weiß sich keinen Rat mehr, muss er doch am nächsten Morgen um jeden Preis ins Ziel treffen. Zugleich quälen Agathe merkwürdige Träume und düstere Vorahnungen. Max‘ Not macht sich ein anderer Jäger namens Kaspar zu Nutze, der sich dem Teufel verschrieben hat. Er verspricht dem Teufel Agathes Seele im Tausch gegen sein eigenes Leben, wenn er noch einmal die selbst gegossenen Gewehrkugeln verzaubere. Der Teufel solle nur dafür sorgen, dass beim Schießen von Max die siebte Kugel statt der Beute die Verlobte treffe. Der Teufel willigt ein, hält sich aber schlussendlich nicht an die Abmachung …
Unter der musikalischen Leitung von Stefan Veselka und der bemerkenswerten Choreinstudierung von Inna Batyuk entstand am Stadttheater ein akustisches und optisches Gesamtkunstwerk, aus dem vor allem Eva Bauchmüller als Ännchen und Sebastian Campione als Teufel hervorstechen. Der Auftritt des letzteren wirkt nach, weil dem Regisseur hier die Überraschung gelungen ist, den bösen Teufel des ersten Teils mit dem Eremiten, dem guten Problemlöser des zweiten Teils, zu verschmelzen. Am Ende steht so die Frage, wer oder was überhaupt gut und böse ist – eine auch heute wichtige und aktuelle Diskussion.
Die Premiere war trotz kleinerer Requisitenfehler ein voller Erfolg. Das Publikum klatschte begeistert, auch im Stehen, bis sich der Vorhang nicht mehr hob. „Der Freischütz“ wird in dieser Spielzeit noch aufgeführt am Freitag, 07.04.; Freitag, 28.04.; Mittwoch, 03.05.; Dienstag, 30.05.; Dienstag,20.06.; Sonntag, 25.06.; Samstag, 01.07.; und Donnerstag, 13.07.
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