Zu einer Uhrzeit, zu der sich sonst im alltäglichen Feierabendverkehr die Autos Stoßstange an Stoßstange am Aasee entlangschieben, blockierten heute gut 200 Fahrrad-Aktivisten den Verkehrsknotenpunkt am Aegidiitor. Denn die Interessengemeinschaft Fahrradstadt Münster hatte zum Protest gegen die zurzeit heiß diskutierte Idee des ca. 10 Mio. Euro teuren Fahrradbrücken-Projekts „Flyover“ aufgerufen.
Die Demo war für 17:00 Uhr angemeldet und sollte exakt 32 Minuten dauern. Denn das ist laut Veranstalter „die durchschnittliche Zeitdauer, die Pendler:innen auf dem Rad oder zu Fuß monatlich auf einer typischen Wegbeziehung an dieser Achse durch Wartezeiten an Lichtsignalanlagen verlieren“. Die Polizei hatte die vielbefahrene Verkehrsachse allerdings schon etwas früher abgeriegelt und das in alle Richtungen auch schon weit vor dem eigentlichen Ort der Demonstration, so dass die Autofahrer von den ganzen Argumenten überhaupt nichts mitbekommen konnten.
So hob Konstantin Kubina von der IG Fahrradstadt hervor, dass die geplante Fahrradbrücke nur für eine von vielen möglichen Strecken vorgesehen ist, auf der an diesem Verkehrsknotenpunkt nur etwa 2.000 von insgesamt 28.000 Fahrten pro Tag entlangführen. Außerdem sieht er bei dem geplanten Gefälle der schmalen Brücke zukünftig reichlich Konflikte zwischen Radfahrern und Fußgängern kommen. Vor allem aber: „Der Flyover tut nichts gegen die Blechlawine!“ Das Ziel sollte daher sein, die Weseler Straße an dieser Stelle ganz für den motorisierten Individualverkehr (MIV) zu sperren, Busspuren einzurichten, Ampeln abzubauen und die Aegidiistraße zur Fahrradstraße zu erklären. Dem überteuerten Prestigeobjekt Flyover erteilte Kubina eine Absage: „Leuchttürme gehören an die Küste!“
„Flyover – Nein, danke!“ meinte auch der ehemalige Ratsherr Rüdiger Sagel, heute als Sprecher der Naturfreunde Münster. Er appellierte an die Rathauskoalition von Grünen, SPD und Volt: „Lehnt den Flyover morgen im Stadtrat ab!“ Er sei ein „vergiftetes Geschenk“, das „aus der Zeit gefallen“ ist, und er stellte die berechtigte Frage: „Würde man ihn auch bauen, wenn Münster ihn ganz alleine bezahlen müsste?“
Mit dem städtischen Kostenanteil von 600.000 Euro könnte man Sinnvolleres umsetzen, meinte auch Demonstrationsteilnehmer Florian Voss. Er erinnerte an den „Masterplan Mobilität Münster 2035+“, für den viele konkrete Ideen zur Mobilitätswende in Münster entwickelt worden sind. Bisher sei nichts davon umgesetzt, aber mit dem städtischen Anteil an den Kosten für den Flyover wäre vieles davon möglich – und wesentlich sinnvoller für die Radfahrer und Fußgänger in der Innenstadt. Als besonders dringlich betrachtet er gerade an der Straße, an der die Demonstration stattfand, die Verbreiterung und Verbesserung der Radwege, „oder das Aufheben der Radwegebenutzungspflicht“.
Pünktlich um 17:32 Uhr wurde die Straße wieder für den Autoverkehr freigeben und füllte sich schnell wieder mit dem gescholtenen motorisierten Individualverkehr. Es ist damit zu rechnen, dass die Fahrrad-Aktivisten in den nächsten Wochen weitere Aktionen starten, falls die Planungen für das Leuchtturmprojekt „Flyover“ am Aegidiitor nicht zu den Akten gelegt werden. Denn ihnen stieß neben allen geschilderten Argumenten auf, mit welch „fragwürdiger Beschleunigung“ das Projekt durch OB Markus Lewe und Stadtbaurat Robin Denstorff vorangetrieben wird. Ihm widmeten sie dann auch gleich ein Lied während der Demo: den Disco-Schlager „Fly, Robin, Fly“ von Silver Convention. Dazu sind allerlei Vorstellungen möglich…
Ausführlich hat die Interessengemeinschaft ihre Argumente zum Projekt „Flyover“ auf ihrer Homepage fahrradstadt.ms vorgestellt.
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