Wir erinnern uns: Die Hausfrau und ihre Kleine fanden eines Abends eine wunderschöne, leicht verwahrloste Katze, welche sofortige Rettung verlangte und wieder verschwand. Über Nacht vernetzten die befreundete Igelretterin sowie die junge Dame digitale Drähte, vor Tau und Tag betätigte die Hausfrau sich analog als Nachbarschaftsschreck. Wir verließen die Szene bei der familiären Lagebesprechung in der Küche.
Aktuelle Ermittlungen in Form von Netzwerkposts schienen zu belegen, dass die verwahrloste Katze in Wahrheit ein Freigängerkater mit fester Anbindung an eine liebende Familie sei. Die Hausfrau war angesichts der Beweislage bereit, ihre Aktivitäten ad acta zu legen. Die junge Ermittlerin aber beharrte auf ihrer Intuition – der angebliche Familienkater sei eindeutig ein Mädchen – basta!
Ein ganz normaler Arbeitstag. Ganz ehrlich – ich bin heute zu nix zu gebrauchen, und das liegt nicht am Schlafentzug. Seit einer halben Stunde widerstehe ich dem Drang, zum einhundertzwölften Mal aufs Handy zu schauen. So entwürdigend es ist, ich nehme das Gerät mit zur Toilette – und ja, ich muss wirklich! Jetzt rächt es sich, dass ich selbst keinem der Netzwerke angehöre. Screenshots von der Kleinen, weitergeleitete Nachrichten der Igelretterin. Mein Kopf fährt Karussell. Hier heißt es, bitte nicht unseren Kater retten. Dort folgt die Mahnung zur Vorsicht: Sobald es um wertvolle Rassetiere gehe, wollten plötzlich alle die Besitzer sein. Ich solle sorgfältig prüfen, wer da die Herausgabe des Katers verlange. Dass ich mangels Rettung zu keiner Herausgabe in der Lage bin, scheint nicht angekommen zu sein. Das würde ich gern kommunizieren. Aber ich sitze ja hier bei der ….äh… Arbeit.
Mit Mühe und Not rette ich mich bis zur Mittagspause. Das Igelnetzwerk funkt, „Marie“ habe den Kater in einem Garten nahe dem Fundort „gesichert“. Sie lasse seinen Chip beim Tierarzt auslesen. Die Kleine meldet zwei User, die in unserem Viertel verzweifelte Katzensuchen erlebt haben. Einer schwört, eine Sichtung erlebt zu haben, die Katze sei aber entwichen. Letzte Meldung: Maries Tierarzt konnte keinen Chip an der Katze finden. Die innere Rechenoperation ist komplex. Kurz vorm Ende der Pause kombiniere ich: Unsere Katze ist nicht Kimba – sondern seine DOPPELGÄNGERIN!
In den hochschnellenden Adrenalinpegel funkt die Kleine, jemand habe seine Katze auf dem Foto erkannt! Ich übernehme den Rückruf, meine Co-Ermittlerin muss eilig zum Bahnhof. Eine Frau beteuert am Telefon, sie habe ihre Katze vor Wochen in unserem Wohnviertel in Pflege gegeben. Dort sei sie entlaufen und trotz Suchaktionen unauffindbar geblieben. Die junge Stimme kippt. Mina habe bisher als reine Wohnungskatze gelebt und müsse täglich gebürstet werden, um nicht zu verfilzen.
Alles hört sich stimmig an. Ich erfahre, dass Mina eine Katzentochter namens Mila hat, welche ihre Mutter vermisse. Ich verspreche, mich nach Feierabend persönlich um die Übergabe zu kümmern. Die Frau gibt unter Tränen ihre Adresse durch. Der restliche Arbeitstag geht flott von der Hand. Pünktlich zum Feierabend lese ich: Nach der Rettungsaktion musste Marie dringend zur Uni, die unidentifizierte Katze brauchte eine Bleibe. Dank paradoxer Fügung erhielt die verlorene Schönheit spontan ein Gästezimmer – im Haushalt von Kater Kimba!
18:00 Uhr. Nach investigativem Ziehen aller Netzwerk-Fäden, welche eine eigene Folge dieses Thrillers hergäben, sind Ingrida und ich zur gemeinsamen Katzen-Übergabe verabredet. Kimbas Halterin hat die kleine Irrläuferin im Gepäck, ich chauffiere uns in den Süden der Stadt. Ungläubig erfahre ich: Kimba wird wegen seines zauseligen Äußeren so häufig „gerettet“, dass Ingrida den alten Kater im Wohnviertel plakatiert und in Netzwerken über seinen Bewegungsdrang aufklärt. Trotzdem muss die Familie ihren Liebling mehrmals jährlich bei den örtlichen Tierheimen auslösen.
Wir sind da. Eine junge Frau, umwuselt von drei kleinen Kindern und einer kleinen Katze, dankt uns vielfach für unseren Einsatz. Wir öffnen die Transportbox. Die Katzen begrüßen einander. Mila lässt sich streicheln, dann prüft sie die Möbel der Wohnung. Eindeutiger könnte es nicht sein: Hier ist sie zu Hause. Mission erfüllt. Wir verabschieden uns von der Familie und Mila. Tränen fließen. Auf der Rückfahrt reden wir über Kater, Katzen, Kinder, Berufe und Berufungen. Ob es bei dieser Kooperation bleiben wird? Ingrida und Iris – das klingt doch nach einem guten Team.
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