Im Sekundentakt zählen die Zuschauer den Countdown mit, die Spannung dürfte auch bei einem echten Raketenstart nicht größer sein. Bei Null steigen nacheinander zwei große Wetterballons unter dem Jubel der Kinder, Jugendlichen und Erwachsenen vor dem ehrwürdigen münsterschen Schloss in den strahlend blauen Herbsthimmel, begleitet von zahlreichen kleineren Luftballons, an denen Karten mit Wünschen und Grüßen hängen.
An den Wetterballons, die in eine Höhe von bis zu 40 Kilometern aufsteigen werden, hängen schuhkartongroße Styroporkästen, in denen kompliziert aussehende Messgeräte und Kameras untergebracht sind. Die Experimente wurden als Siegerprojekte des diesjährigen „senseBox Hackathon“ des Instituts für Geoinformatik ausgewählt, um die Reise an den Rand der Atmosphäre anzutreten. Die Schüler Enno Recker, Konstantin Achternkamp, Tom Rühle und Smilla Brinker haben die Experimente entwickelt und fiebern dem Start entgegen. „Wir wollen während des Aufstiegs ganz viele Fotos von der Erde machen. Es war ja im Sommer sehr trocken und wir wollen anhand der Pixel ausrechnen, wie viel vertrocknet ist“, erklärt Enno das Experiment und Konstantin fügt hinzu: „Wir dachten, das ist aktuell, da sollte man was machen!“
Dass der Startplatz nur rund 600 Meter vom Aasee entfernt liegt, der in diesem Sommer als Folge der extremen Trockenheit und Hitze ökologisch zusammengebrochen ist, gibt dem Experiment der Nachwuchsforscher dabei eine ganz besondere Brisanz. „Die senseBox, die an Bord des einen Ballons ist, kann unter anderem Wetterdaten sammeln“, erläutert der Geoinformatiker Dr. Thomas Bartoschek, unter dessen Leitung insgesamt 40 Schülerinnen und Schüler im August während des zweitägigen „Hackathon“ eigene Messgeräte entwickelt haben. Die „senseBox“ ist ein vom Institut für Geoinformatik der WWU entwickelter Bausatz für stationäre und mobile Sensoren.
Der zweite Ballon wurde vom Verein „KIMM – Kindermuseum Münster“ mit Experimenten bestückt, die in zahlreichen Tischtennisbällen untergebracht waren. So hat zum Beispiel eine Bohne die Reise in die Stratosphäre angetreten, um zu überprüfen, ob sie nach ihrer Rückkehr noch keimfähig ist. Schließlich herrschen dort oben, rund viermal höher als ein Passagierflugzeug normalerweise fliegt, fast Weltraumbedingungen. 99 Prozent der Atmosphäre werden die Ballons am Scheitelpunkt ihrer Reise hinter sich gelassen haben, Temperaturen von bis zu -50 Grad überstehen müssen und ihre Fracht in den kleinen Behältern erhöhter Weltraumstrahlung aussetzen. Die Sonde des Vereins KIMM trug neben den Experimenten noch ein ganz besonders anrührendes Objekt mit zu den Sternen, ein Foto der vor anderthalb Jahren verstorbenen Mitbegründerin des Vereins, Andrea Cramer.
„Auf Bodenhöhe haben die Ballons einen Durchmesser von etwa zweieinhalb bis drei Metern. In der Stratosphäre werden es wegen des extrem niedrigen Luftdrucks beeindruckende 15 Meter sein, bevor die Ballons dann platzen und die Sonden an Fallschirmen zu Boden schweben“, erklärt Marcel Dierig von der Firma Stratoflights, die den Ballonflug organisiert. Auf einem Monitor können die Zuschauer nach dem Start Live-Bilder verfolgen, die von den Sonden übertragen werden, bis nach einigen Minuten der Funkkontakt abreißt.
Wie bei echten Weltraummissionen beginnt die Hauptarbeit für die jungen Forscher, wenn die Daten der Sonden später ausgewertet werden. Vielleicht werden die Erkenntnisse, die Konstantin, Tom, Smilla und Enno aus ihrem Experiment gewinnen, dafür sorgen, dass Münster auf zukünftige Extremwetterlagen etwas besser vorbereitet ist.
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