Entsetzt, beschämt, fassungslos, das sind Reaktionen, die Regierungspräsidentin Dorothee Feller immer wieder bei den Besuchern der Ausstellung „Einige waren Nachbarn“ im Foyer der Bezirksregierung beobachten konnte. Dass die Verfolgung der Juden während des Nationalsozialismus mit dem Holocaust in einem der größten Verbrechen der Geschichte mündete, wäre ohne die Mithilfe zahlloser einfacher Bürger vermutlich nicht möglich gewesen, wie die Ausstellung eindrucksvoll vermittelt.
Vom einfachen Wegschauen und Ignorieren bis zur glühenden Mithilfe waren es oftmals Nachbarn, Kollegen oder Klassenkameraden, die durch ihr aktives oder passives Verhalten dafür sorgten, dass Millionen Menschen in den Gaskammern ermordet wurden. „Warum ging kein Aufschrei der Empörung durch das Land?“, fragt sich Feller während eines öffentlichen Festaktes im Rahmen der Ausstellung des United States Holocaust Memorial Museum Washington D.C. (USHMM) in Kooperation mit der Villa ten Hompel.
Ein wesentliches Ziel der Ausstellung ist, zu vermitteln, warum auch heute noch jeder Mensch zum Täter oder Mittäter werden kann. „Der Antisemitismus war damals in der europäischen Gesellschaft tief verwurzelt“, erläutert die Direktorin des USHMM, Sara J. Bloomfield. Verlockend sei es, einfachen Antworten auf komplizierte Fragen zu glauben, damals wie heute. Die Nazis hätten die menschliche Natur diesbezüglich genau verstanden und im Sinne ihrer mörderischen Ziele genutzt. Aktuell würden in Deutschland, Europa und auch in den USA Antisemitismus und Nationalismus wieder wachsen, wie Bloomfield betont und warnt die zahlreichen Gäste im Foyer der Bezirksregierung: „Das Undenkbare ist immer möglich“. Für den Gast aus den USA liegt eine der Kernaufgaben der Ausstellung darin, den Menschen klar zu machen, welche Kraft sie haben, wenn es darum geht, sich dem Unrecht entgegen zu stellen.
„Aus der Geschichte zu lernen ist wichtig, reicht aber nicht“, erklärt die NRW Antisemitismus-Beauftragte Sabine Leutheusser-Schnarrenberger und fährt fort, „Wir müssen uns klarmachen, dass Antisemitismus ein Angriff auf die ganze Gesellschaft ist“. Mit Blick auf die Ausstellung verweist die ehemalige Bundesjustizministerin darauf, dass es wichtig sei, dass sich gerade junge Menschen damit auseinandersetzen, was damals in ihrer unmittelbaren Nachbarschaft geschehen ist.
Auch Oberbürgermeister Markus Lewe warnt vor einem Wiedererstarken menschenverachtender Ideologien: „Aktuell erleben wir, dass Parteien, die noch nicht verboten sind, Äußerungen tätigen, die noch vor Kurzem undenkbar gewesen wären“. Umso wichtiger sei daher aus seiner Sicht die Triangelbeziehung zwischen der Villa ten Hompel, Yad Vashem und dem Holocaust Memorial Museum und das „wunderbare, freundschaftliche Verhältnis zu unserer jüdischen Gemeinde“, wie das Stadtoberhaupt hervorhebt.
Die Ausstellung „Einige waren Nachbarn“ ist noch bis zum 15. Februar im Foyer der Bezirksregierung, Domplatz 1-3, zu sehen. Geöffnet ist die Ausstellung montags bis freitags von 9 bis 16 Uhr und samstags von 9 bis 13 Uhr. Der Eintritt ist frei.
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