Als 2017 die Ergebnisse einer Langzeitstudie ehrenamtlicher Krefelder Insektenforscher in dem angesehenen Magazin Science veröffentlicht wurden, sorgte dies weltweit für Entsetzen, die Menge der gefangenen Insekten ist laut dieser Studie seit 1989 um bis zu 80 Prozent zurückgegangen. Ein Abwärtstrend, der weltweit beobachtet werden kann, wie sich danach herausstellte.
Im Februar 2018 fand im Institut für Landschaftsökologie der Uni Münster die erste Fachtagung zum Thema Insektenrückgang statt, jetzt ist das Treffen in die dritte Runde gegangen, diesmal mit dem Schwerpunkt Wald. Ob der vom Insektizideinsatz scheinbar unberührte Wald den Insekten ein sicheres Rückzugsgebiet liefert, wollten Forscher der TU München herausfinden. Das Ergebnis ist allerdings auch hier alarmierend, von 2008 bis 2016 ist auch im Wald die Insektenmasse um 41 Prozent zurückgegangen. Die Ursachen sind vielfältig, wie die Landesvorsitzende des Naturschutzbundes (NABU) NRW, Dr. Heide Naderer, erläutert: „Die Dürre der letzten Jahre hat dem Wald stark zugesetzt, hinzu kommt das Entfernen von Totholz, Entwässerungsmaßnahmen, Luftverschmutzung und tatsächlich der Einsatz von Pestiziden“. So käme zum Beispiel in Tannenbaumschonungen zum Teil Glyphosat zum Einsatz, wie die Expertin berichtet.
Doch auch dort, wo der Borkenkäfer und andere Schädlinge zuschlagen, kreist mitunter die Chemiekeule, offenbar nicht nur mit Folgen für die Insektenarten, denen es an den Kragen gehen soll. Ob außerdem von landwirtschaftlichen Flächen durch Wind oder Wasser Pestizide in andere Bereiche abgetrieben werden, wird zurzeit von einer Studie untersucht, die von mehreren Biomarkt-Ketten finanziert wird. Dem Wald geht es aus mehreren unterschiedlichen Gründen schlecht und wo es kein stabiles Lebensumfeld gibt, fühlen sich auf Dauer auch Insekten nicht wohl. Insekten sind aber nicht nur summende Plagegeister, sondern vielmehr wichtige Nahrungsgrundlage zum Beispiel für Vögel und Fledermäuse, die unter anderem aus diesem Grund ebenfalls auf dem Rückzug sind. Außerdem sind Insekten lebensnotwendige Bestäuber, ohne die viele Pflanzen sich nicht fortpflanzen können, „in vielen Wäldern sieht man keine blühende Bodenschicht mehr“, berichtet Naderer.
Als Weg aus dem Dilemma fordern die Naturschützer eine Wiederaufforstung mit vielfältigen, heimischen Baumarten ohne Monokulturen. Außerdem solle der Übergang von landwirtschaftlich genutzter Fläche und Wald nicht unmittelbar, sondern in Form von Streifen mit Blühpflanzen erfolgen, Landschaften müssen struktur- und abwechslungsreich sein, mit Hecken und Wiesen. Viele Maßnahmen betreffen den Wald allerdings unmittelbar, und der befindet sich in NRW zu 65 Prozent in privater Hand. Hier könnte sich ein vergleichbar kompliziertes Feld auftun wie bei der Landwirtschaft, die in den letzten Monaten massiv gegen Forderungen protestierte, dem Umweltschutz einen höheren Stellenwert einzuräumen. „Eigentlich weiß jeder um das Problem des Insektenrückgangs und kennt die Ursachen, die Studien sind ja veröffentlicht. Es wird aber nicht gehandelt“ bedauert Heide Naderer.
- Solidarität mit Mehmet Staatsschutz involviert: Rassistische Anfeindungen münden in Bereichsbetretungsverbot - 22. Dezember 2024
- Fotostrecke: skate-aid Night (23.11.2024) - 25. November 2024
- Im Maschinenraum der Diktatur Ausstellung „Alles wissen wollen“ informiert über die Stasi - 25. November 2024