Duchamp, die neue Hardcore-Punk-Allstar-Band um Donots-Frontmann Ingo Knollmann, haut mit ihrem Debutalbum „Slingshot Anthems“ (VÖ: 20.8.2021) eine melodische Hardcore-Platte allererster Güte raus. Wir durften vorab schon mal ein Ohr riskieren (Teddy Duchamp lässt grüßen!) und mit Ingo über Helden der Jugend, die Poesie des Losers und Arcade-Games der 80er sprechen.
Der kernsympathische Hans-Dampf-auf-allen-Bühnen meldet sich von der Hoteltreppe, wo während des Wartens auf den Zimmerschlüssel die lokale Braukunst auf Funktionsfähigkeit überprüft wird.
Ingo, vielen Dank, dass du dir Zeit genommen hast, ein wenig über dein neues Baby zu plaudern. Nach dem Probehören kann ich nur großes Lob für die sehr gelungene und in allen Beziehungen runde Scheibe aussprechen.
Danke, das freut uns total. Wir waren total überrascht und überwältigt, dass die bisherigen Reaktionen – so langsam kommen ja die ersten Reviews – eigentlich durchweg positiv ausgefallen sind, das ist ja doch eher so ein Nischending. Wir hatten nichts erwartet und sind jetzt natürlich um so glücklicher.
Was hat dich denn bewogen, neben deinen Aktivitäten mit den Donots noch eine neue Kapelle zu gründen?
Das war vor allem ein Zeitvertreib während Corona, aber ich hatte auch einfach richtig Bock drauf. Uns hat Corona ja etwas weniger hart getroffen als andere, weil wir sowieso ein Sabbatjahr eingeplant haben, um mehr Zeit für die Familie zu haben, ich bin ja auch gerade zum zweiten Mal Vater geworden. Aber so oder so mussten ja eigentlich alle Musiker zwangsweise die Beine baumeln lassen. Ich bin ja wirklich gerne Familienmensch, aber nach zwei Monaten wurde ich dann doch unruhig, da haben auch 14 Kilometer joggen am Tag nichts geholfen. Da ging ich mir dann auch schon selbst auf den Sack, ich brauchte was zu tun, da musste was Neues her.
Da kam dann plötzlich nach ungefähr 15 Jahren eine Mail von meinem alten Kumpel Peter Tiedeken, der unter anderem bei Robocop Kraus gespielt hat. Der hat mein Kid Dynamite-Shirt abgefeiert, dass ich auf einem Instagram-Foto anhatte. Er wollte schon immer mal in einer Band spielen, die den alten East Coast-Hardcore, diesen Jade Tree Sound drauf hat, nicht so ein West-Coast-Melodycore-Zeug. Ob ich da nicht mitmachen wollte, er hätte schon ein paar Demos mit Instrumentals aufgenommen. Ich hatte immer schon mal Bock auf sowas, aber wusste echt nicht, wie das gehen soll, ich hatte ja nicht mal die anderen Donots zum Proben gesehen in der Zeit. Er hat mich dann überredet, zumindest mal reinzuhören, und das hat mich dann so gepackt, dass ich mich Abends, wenn Frau und Kinder schlafen gegangen waren, mit einem Fläschchen Rotwein in die Dusche verzogen und darauf gesungen habe, und plötzen waren in vier Tagen vier Songs fertig. Da war uns klar, dass daraus eine Band werden muss, also haben wir noch Benni und Kruse dazu geholt und dann die ganze Platte in ungefähr 3 Wochen geschrieben.
Im August letzen Jahres haben wir die Instrumente dann in nur vier Tagen im Heavy Kranich (Donots-eigenes Studio, Anm. d. Red.) aufgenommen, die Vocals waren dann noch eine 16-Stunden-Marathon-Session. Das macht man ja heute auch kaum noch, immerhin haben wir inzwischen mit den Donots ein eigenes Studio und könnten uns Zeit lassen, viel länger basteln. Aber so, wie das jetzt gelaufen ist, passt das gut zum alten Hardcore-Spirit, da musste es im Studio schnell gehen, Studiozeit war teuer. Dadurch wird aber natürlich auch eine Menge spontane Energie eingefangen.
Und wie seid ihr dann an eure zahlreichen recht hochkarätigen Gäste gekommen?
Über die freuen wir uns riesig, die ganzen Gäste machen die Platte natürlich auch noch mal authentischer. Wenn man in unserer Szene so lange dabei ist und viel unterwegs ist, kennt man schönerweise irgendwann seine alten Idole und hat fast jedem schon mal die Hand geschüttelt. Man kennt sich eben, da braucht es bei den meisten für so eine Aktion nur eine SMS, schon ist der Andere dabei. Jason Shevchuk von Kid Dynamite war für mich eine absolute Herzensangelegenheit, aber da ging es dann um ein paar Ecken mehr. Die Band gibt es ja schon ewig nicht mehr.
Ich hab mir dann jede Menge alte Livevideos auf YouTube angesehen, bis ich bei einem Video unseren alten Kumpel Dave Hause (mittlerweile sehr erfolgreich als Singer/Songwriter unterwegs – Anm. d. Red.) als Roadie gesehen hab. Den hab ich direkt gefragt, ob er noch Kontakt hat, aber er hatte nur eine zwölf Jahre alte E-Mail-Adresse. Ich hab dann einfach auf gut Glück eine Mail geschickt und nach nicht mal 24 Stunden eine Zusage. Hätte mir das jemand in den 90ern erzählt, hätte ich ihn für verrückt gehalten. Auch sonst sind wir super dankbar für den ganzen Support, und so eine Platte ist ja auch eine Art, danke zu sagen. Quasi „Danke sagen“ als Motivation. Dass wir das Ganze dann auch noch auf zwei Labels gleichzeitig rausbringen, ist auch einmalig. Unser eigenes Label Solitary Man dafür zu nutzen, war eigentlich klar, aber als End Hits Records als erste Adresse für Punk uns auch unbedingt an Bord haben wollten, haben wir gedacht: Warum nicht auf beiden Labels in einer jeweils eigenen Version veröffentlichen?
Euer Bandname, zu dessen Aussprache ihr dankenswerterweise ein Video geteilt habt, bezieht sich auf die Figur „Teddy Duchamp“ aus dem Film „Stand by me“, der bekannten 1986er Verfilmung von Stephen Kings Coming-of-Age-Erzählung „Die Leiche“. Was macht den Jungen so besonders?
Haha, wenigstens kannst du den Namen einordnen, wir sind sogar schon gefragt worden, ob wir uns nach Marcel Duchamp (französisch-amerikanischer Konzeptkünstler – Anm. d. Red.) benannt haben. Teddy ist so ein bisschen das Krafttier für uns Fortysomethings, die zwar mittlerweile 45, aber doch nie so richtig erwachsen geworden sind. So eine ikonische Loserfigur als Maskottchen passt zu uns, außerdem ist Teddy ja der Punker unter den Jungs, auch ganz nah dran am Wahnsinn. Und er trägt sein Herz auf der Zunge, das hat uns gefallen. Mit „Train Dodge“ ist auch ein Song auf der Platte direkt von der Story inspiriert.
Steht denn die Hardcore-Version von Ben E. Kings Klassiker „Stand by me“ schon auf der Setlist für euren ersten Gig?
Schöne Idee, das müsste man machen, haben aber Pennywise schon viel besser gemacht. Das wäre dann ja ein Cover vom Cover…neee!
A propos Gig: Darf man hoffen, euch live zu sehen oder ist Duchamp ein reines Studioprojekt?
Wir hoffen selbst, aber können’s noch nicht sagen. Wenn, dann auf jeden Fall nur Oldschool, kleine Clubs, so richtig „Posi-Unity“, wo schon vor der Show alle richtig ausrasten. Sowas funktioniert aber nicht als Picknick-Konzert, da muss man zusammen schwitzen und Pogo tanzen können.
Also: erst schonmal zuhause mit dem Debutalbum aufwärmen. Wer sollte denn „Slingshot Anthems“ kaufen und warum?
Jeder, der auf Hardcore mit viel Melodie steht, natürlich Oldschooler. Eigentlich jeder, der Bock hat auf Musik, die nicht viel will, aber viel kann. Das ist auch eine knackige, kurze Platte, gerade mal eine halbe Stunde, die passt immer gut dazwischen. Ich mag sowas ja gerne.
Musikalisch geht es bei euch ja gut nach vorne, wie man an euren bisher veröffentlichten Videos gut hören kann. Schönes Geknüppel, leckere Melodien, bisschen Geschrei. Was treibt euch denn thematisch so an?
Ja, die Melodien, da kommt das Pop-Schwein im Ingo durch (lacht). Wir wollten da keinen Stil imitieren, sondern einfach authentischen, klassischen Hardcore spielen. Dazu gehört in den Texten natürlich die große Loser-Lyrik, also Geschichten von Leuten, die wissen, wie sich Auf-die-Schnauze-fallen anfühlt. Ansonsten schwingt da immer reichlich Punk-Ethos mit, also die Gemeinschaft, der Unity-Gedanke, das Zuhausesein in der Subkultur.
Passend zum Sound der 80er und 90er und eurem Video zu „Video Games And Coffee“: Fünf Videospiel-Klassiker für die Ewigkeit?
Boah, das ist hart, das ist ja so ziemlich mein einziges Hobby neben der Musik. Da müsste ich schon in Genres und Plattformen unterteilen, ich spiele ja quasi jeden Tag, bestimmt tausende Games in den ganzen Jahren. Auf jeden Fall wichtig: Der Erstkontakt. Das war damals Mr. Do!, sowas ähnliches wie Dig Dug, auf einem Campingplatz im Urlaub am Gardasee. Dann müsste man so Sachen erwähnen wie Dark Souls, Demon’s Souls, natürlich Final Fantasy VII. Und ich mag auch gute Ego-Shooter, so wie Bioshock.
Und zurück zu Duchamp: Drei Gastmusiker – tot oder lebendig – die sich auf eurer nächsten Platte richtig gut machen würden?
Und die müssten dann auf jeden Fall mitmachen, könnten nicht einfach sagen: Nö, kein Bock?
Ja klar, die stehen direkt bei euch im Heavy Kranich auf der Matte.
Dann auf jeden Fall Ian MacKay von Minor Thread/Fugazi. Und Milo Aukerman von den Descendents am Gesang. Mhh…und dann…ja! Henry Rollins! Der muss auch gar nicht singen, der soll einfach vorbei kommen zum Rumhängen und Böse angucken!
Vielen Dank für das Interview!
"Slingshot Anthems" von Duchamp ist bei Solitary Man Records und End Hits Records in unterschiedlichen Versionen als Vinyl, CD und Download erschienen und ab sofort im gut sortierten Plattenhandel oder beim Merch Cowboy (https://donots.merchcowboy.com) erhältlich.
Und hier noch das angesprochene Video zu dem Song „Video Games And Coffee“:
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