Morgen jährt sich die Wiedervereinigung zum 30. Mal. Während sich vermutlich viele Menschen der Generation 50 plus verwundert die Augen reiben, dass dieses Jahrhundertereignis bereits drei Jahrzehnte zurück liegt, werden sich viele der Jüngeren wohl fragen, um welche Wiedervereinigung es gerade geht. „Nur die Älteren und die Medien halten am Ost-West-Unterschied fest, denken viele Jugendliche“, berichtet Münsters Regierungspräsidentin Dorothee Feller während ihrer Begrüßungsrede zur Eröffnung der Ausstellung „Umbruch Ost“.
Die Ausstellung, die bis zum 9. Oktober im Foyer der Bezirksregierung am Domplatz zu sehen ist, zeigt auf mehreren Infotafeln die Geschichte der Deutschen Einheit. Zur Eröffnung der Ausstellung reiste Friedhelm Ost als Gastredner an, seinerzeit Regierungssprecher, wirtschaftspolitischer Berater und enger Vertrauter des damaligen Bundeskanzlers Helmut Kohl. In seiner Gastrede berichtete er von den Lebensumständen der Bürger in der DDR, dem Weg zur Einheit aber vor allem von seinen Erlebnissen mit Helmut Kohl. Den Kontakt zu Ost stellte Dr. Peter Paziorek her, bis vor neun Jahren selber Präsident der Bezirksregierung Münster.
„Wir erinnern uns noch an die Euphorie und Begeisterung während der Grenzöffnung, die Bilder sind bis heute unvergessen“, ist sich die Regierungspräsidentin sicher, stellt aber angesichts des mitunter etwas holprigen Weges zur Einheit die Frage „Was ist übrig von dieser Euphorie?“ Vier von zehn Ostdeutsche fühlen sich noch immer als Deutsche zweiter Klasse, berichtet Feller. Einheit sieht wohl anders aus.
„Die Wiedervereinigung ist das glücklichste historische Ereignis unserer Geschichte“, betont Friedhelm Ost zu Beginn seiner Gastrede. Die DDR war seiner Meinung nach ein Ort der Bespitzelung und Verfolgung, „Mehr als 300.000 Menschen waren im Netzwerk der Stasi aktiv. Mehr als 250 Menschen fanden an der innerdeutschen Grenze den Tot.“ Als er mit Helmut Kohl in die DDR gereist ist, wurden die Beiden von 156 Stasi-Mitarbeitern überwacht, „In Weimar steckten die ihre Leute in Trainingsanzüge, damit die immer um das Hotel herumjoggen um die Bürger fernzuhalten“, berichtet der 78-Jährige schmunzelnd. Im Hotel waren die Überwachungsmethoden allerdings zum Teil recht dilettantisch, „Die Mikrofone in den Kronleuchtern waren problemlos zu erkennen.“
Kohl wollte den Kontakt zum damaligen Staatsratsvorsitzenden Erich Honecker vermeiden und lies bei einem Empfang Friedhelm Ost mit dem verhassten Kollegen aus dem Osten in der Ecke stehen. Honecker vertraute Ost an, dass seine Schwester gerade im Saarland aus gesundheitlichen Gründen bei Nonnen untergebracht sei und wollte wissen, wie man dem Orden etwas Gutes tun könne. „Sie können denen gerne Geld überweisen. Aber keine Ost-Mark, damit können die nichts anfangen“ war Osts Tipp. Gerade diese kleinen Geschichten sind es, mit denen der ehemalige Vertraute von Helmut Kohl die Gäste der Ausstellungseröffnung begeisterte.
Der Weg zur Einheit war schwierig, wie sich der Gastredner erinnerte. Die Sorge, dass die DDR-Regierung die Demonstrationen blutig niederschlagen lässt, wie es die chinesische Regierung wenige Wochen zuvor auf dem Platz des himmlischen Friedens getan hat, beunruhigte viele Menschen, auch im Westen. Als die Mauer am 9. November 1989 fiel und sich die Wiedervereinigung abzeichnete, mehrte sich bei den europäischen Nachbarn die Angst vor einem neuen Großdeutschland, einem „4. Reich“, wie es damals mancherorts hieß.
Heute beschäftigen die Deutschen bei der Ost-West-Frage in erster Linie die Unterschiede bei den Einkommen und bei den Renten. Diese Kritik lässt Ost nur bedingt zu, verweist auf die Unterschiede, die es auch im Westen zum Teil regional gibt und vergleicht das heutige Rentenniveau mit den Renten, die in der DDR gezahlt wurden. Insgesamt scheint Friedhelm Ost die Wiedervereinigung für gelungen zu halten, die Unterscheidung zwischen Ost- und Westdeutschen sollte seiner Meinung nach allmählich zu den Akten gelegt werden: „Die Begriffe Ossi und Wessi sollten wir aus unserem Wortschatz streichen.“
Die Ausstellung zeigt in ausdrucksstarken Farbbildern die Geschichte der Deutschen Einheit. Herausgeber sind die Bundesstiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur und der Beauftragte der Bundesregierung für die neuen Bundesländer in Kooperation mit dem Norddeutschen Rundfunk und Statista. Zu sehen ist die Ausstellung im Foyer der Bezirksregierung Münster zu den üblichen Öffnungszeiten bis zum 9. Oktober. Der Eintritt ist kostenlos und eine Anmeldung zum Ausstellungsbesuch reicht im Foyer vor Ort, ist also vorab nicht notwendig.
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