Forschende der Universitätsmedizin Göttingen (UMG) haben in Kooperation mit der Universität Münster die Reaktionen des Immunsystems nach dreifacher SARS-CoV-2-Impfung untersucht. Diese Daten wurden anschließend mit den Immunreaktionen der Studienteilnehmenden verglichen, die trotz der Impfung an Corona erkrankten. Die Erkenntnisse des Teams sind jetzt in der renommierten Fachzeitschrift „Journal of Medical Virology“ erschienen.
Anfang November 2021 empfahl die Ständige Impfkommission des Robert-Koch-Instituts allen Personen über 18 Jahren eine dritte Impfung gegen SARS-CoV-2. Diese sollte frühestens sechs Monate nach der zweiten Impfung, der Grundimmunisierung, erfolgen. Die Gründe für eine weitere Impfung waren die hohe Ansteckungsrate mit dem Virus sowie ein mit der Zeit nachlassender Impfschutz. Dabei war zunächst unklar, wie das Immunsystem auf Infektionen mit SARS-CoV-2 nach Drittimpfung reagiert.
Diese Fragestellung hat ein Forschendenteam der UMG in Zusammenarbeit mit der Universität Münster in der CoV-ADAPT-Studie („Humorale und zelluläre Immunantwort des adaptiven Immunsystems nach Impfung oder natürlicher COVID-Infektion“) untersucht. Die Untersuchungen an 213 Teilnehmenden, allesamt Mitarbeitende der UMG, belegen, dass eine Drittimpfung zu einer erneuten Verbesserung der Immunabwehr führt. Die Impfung erhöht sowohl die Antikörpermenge und -qualität als auch die zellvermittelte Immunantwort. Bei Letzterer geht es um die Aktivität bestimmter Zellen, sogenannter T-Zellen, die bei der Abwehr von Virusinfektionen besonders relevant sind.
Bei den Teilnehmenden, die trotz der Drittimpfung eine SARS-CoV-2-Infektion durchmachten, konnte eine noch darüberhinausgehende Erhöhung der Antikörpermenge und -qualität festgestellt werden, aber kein weiterer Anstieg der zellvermittelten Immunantwort. „Die Ergebnisse zeigen, dass sich die Antworten des Immunsystems bei den geimpften Teilnehmenden mit und ohne anschließender SARS-CoV-2-Infektion in relevantem Maße unterscheiden“, sagt Priv.-Doz. Dr. Dr. Moritz Schnelle, Oberarzt in der UMG und Letztautor der Studie.
„Vorherige Untersuchungen haben ergeben, dass sich die Anzahl der Antikörper nach der Impfung recht zügig wieder verringert, während die zellvermittelte Immunantwort länger erhalten bleibt. Es ist daher möglich, dass die gestärkte Immunität nach der Infektion nicht von sehr langer Dauer ist. Hierfür wäre auch eine weitere Steigerung der zellulären Immunantwort wichtig gewesen, die wir aber nicht beobachten konnten“, so Prof. Luise Erpenbeck, Professorin an der münsterschen Uniklinik für Hautkrankheiten und ebenfalls Letztautorin der Studie.
Bereits in früheren Studienergebnissen konnte das Team um Erpenbeck und Schnelle anhand der CoV-ADAPT-Teilnehmenden relevante Unterschiede der Immunantworten zwischen den verschiedenen SARS-CoV-2-Impfkombinationen herausarbeiten und zweimal hochrangig veröffentlichen. Das 2021 gestartete Projekt gliedert sich in mehrere Abschnitte und wird von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert.
Erhöhtes Risiko für Durchbruchsinfektionen nicht vorhersagbar
Das Team wollte zusätzlich herausfinden, wieso einige Personen trotz der Impfung eine SARS-CoV-2-Infektion erleiden, während andere verschont bleiben. Dafür trainierte es ein Modell maschinellen Lernens mit den Daten der Studie und der veröffentlichten CoV-ADAPT-Vorstudien. Trotz des großen Datensatzes war dieses Modell jedoch nicht in der Lage, Personen mit einem höheren Risiko für eine Durchbruchsinfektion zu identifizieren. „Ein wichtiger Beitrag dieser Studie ist, dass selbst auf Basis von umfassenden immunologischen Daten über einen langen Zeitraum keine Vorhersage von Durchbruchsinfektionen für Individuen möglich zu sein scheint“, konstatiert Dr. Sascha Dierks, Wissenschaftler im Interdisziplinären UMG-Labor und einer der beiden Erstautoren.
„Andere Studien zeigen, dass höhere SARS-CoV-2-Antikörperspiegel im Durchschnitt mit einem niedrigeren Risiko von SARS-CoV-2-Durchbruchinfektionen einhergehen. Laut unseren Untersuchungen ist für einzelne Personen der SARS-CoV-2-Immunstatus im Langzeitverlauf aber nicht aussagekräftig genug, um eine individuelle Risikovorhersage zu machen“, ergänzt Dr. Moritz Hollstein, Assistenzarzt in der UMG und ebenfalls Erstautor der Studie. „Vermutlich spielen bei der Identifizierung von Risikopersonen Umweltfaktoren eine größere Rolle.“
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