Morgen werden die Skulptur Projekte mit viel Trara offiziell eröffnet, heute durften sich Pressevertreter aus aller Welt schon mal ein paar der Skulpturen auf geführten Touren anschauen und erklären lassen. Nur ein paar davon können wir hier jetzt schon vorstellen, viele weitere werden in den nächsten Tagen und Wochen folgen.
So war der Erbdrostenhof schon zweimal Schauplatz bei den Skulptur Projekten. Vor zehn Jahren hat Andreas Siekmann hier Stadtmaskottchen geschreddert, 1987 stand hier Richard Serras Stahlskulptur „Trunk“, die viele Münsteraner gerne hier behalten hätten. Das ging aber nicht, Serra hatte sie schon vorher in die Schweiz verkauft. Auf diese Unsicherheiten spielt nun die im Iran geborene Berlinerin Nairy Baghramian an. Ihre Skulptur „Beliebte Stellen“ bleibt von vornherein unfertig und ist nur provisorisch installiert. Erst nach dem Verkauf soll sie endgültig zusammengeschweißt werden. Oder etwa doch nicht?
Andere Skulpturen geben gar nicht erst vor, für die Ewigkeit gebaut zu sein. Obwohl das „Momentary Monument“ von der Italienerin Lara Favoretto auf den ersten Blick so aussieht, als wäre es ein massiver Monolith. Tatsächlich ist er aus Granit, aber von innen ausgehöhlt. Mit dem Schlitz an der Vorderseite sieht der große Stein auf der Wiese nahe dem Ludgerikreisel nicht nur aus wie eine Spardose, er ist auch eine. Darin soll Geld gesammelt werden für den Verein „Hilfe für Menschen in Abschiebehaft Büren e. V.“. Wenn die Skulptur Projekte am 1. Oktober vorüber sind, soll das Monument zertrümmert werden, um das Geld herauszuholen und das Granit zu zerschreddern. Das Ganze soll zudem eine Replik auf das umstrittene Train-Denkmal aus den 1920er Jahren sein, das gegenüber steht.
Zentrum der Skulptur Projekte ist wieder das LWL Museum für Kunst und Kultur. Es ist selber auch Ort von Projekten. So wohnt dort ein mysteriöser Herr N. Schmidt, der nur einzeln besucht werden kann. So hat es sich jedenfalls der Künstler Gregor Schneider vorgestellt. Nun sieht man die Kunstbeflissenen vor der Tür Schlange stehen, bis sie endlich klingeln dürfen. An der äußersten Nordspitze des Neubaus hat der Amerikaner John Knight eine Wasserwaage angebracht. Er hat es mit seinem persönlichen Logo „JK“ versehen und damit in den Rang einer kritischen Anmerkung auf das LWL-Logo in der Lichtskulptur von Otto Piene auf der anderen Seite des Gebäudes erhoben. Dort wiederum verstellt ein großer LKW den Blick auf den Eingangsbereich zum Museum und zum WestfälischenKunstverein. Auch das ist ein Skulptur Projekt, gemeinsam geschaffen von Tom Burr und Cosima von Bonin. Die kaum geöffnete Kiste auf der Ladefläche deutet an, dass in ihr gleich die Henry Moore-Skulptur verfrachtet werden soll. Die steht nach der erfolgreichen Ausstellung im Winter nur deswegen noch in Münster, weil so die Depotkosten während des Umbaus der Nationalgalerie in Berlin gespart werden.
Die Veranstalter erwarten, dass die Skulptur Projekte 2017 so etwa 650.000 kunstinteressierte Menschen aus dem In- und Ausland nach Münster locken werden. Einen kleinen Vorgeschmack konnten wir Münsteraner heute erleben, als Kunst-Journalisten aus aller Welt zuerst ins Theater Münster strömten und danach in kleinen Gruppen kreuz und quer durch die Stadt streiften und dabei gelegentlich den Verkehr behinderten. In Städten wie New York gibt es nun mal keine roten Radwege, dafür ist es dort normal, mitten auf der Straße aus dem Taxi zu steigen. Bei uns wird gehupt oder geklingelt, mitunter greift sogar die Polizei ein. Ordnung muss schließlich sein – aber die Ordnung wird bei uns alle zehn Jahre mit den Skulptur Projekten ein wenig durcheinander gewirbelt. Dass alle ein bisschen irritiert sind, passt den Künstlern und Kuratorinnen manchmal gut ins Konzept.
Nicht jedes Kunstwerk ist selbsterklärend, wenn man vor ihm steht. Deshalb wurden nicht nur heute für die internationale Presse Führungen auf Deutsch oder Englisch angeboten. Das wird es in den nächsten Monaten für alle geben, sogar in vielen weiteren Sprachen: nicht nur auf Niederländisch und Französisch für die auswärtigen Gäste, sondern auch in Sprachen, die wegen der Zuwanderung in Münster immer wichtiger geworden sind, nämlich Russisch, Arabisch, Farsi und Kurdisch. Dazu kommen öffentliche Touren in Deutscher Gebärdensprache und in leichter Sprache, für sehbehinderte oder blinde Menschen gibt es Angebote, die alle Sinne ansprechen. Weil die Führungen gesponsert werden, sind sie kostenfrei. Fraglich ist allerdings, ob es genug Teilnehmerplätze gibt, um die Nachfrage zu decken.
Wir können die Skulpturen aber selbstverständlich auch auf eigene Faust erkunden, sie stehen ja fast alle im öffentlichen Raum und sind daher ständig für jeden zugänglich. Es wird einen „Skulptur Projekte Navigator“ als App geben, mit der wir uns Kurzinformationen zu allen Projekten, Standorten und Wegbeschreibungen auf das Smartphone holen können, auch als Audiofiles. Einige Künstler haben QR-Codes angelegt, die Bestandteil ihres Projekts sind. Es wird aber auch ein klassischer Katalog vorgehalten, der für nur 15 Euro verkauft wird und im Format und in der Papierqualität an Telefonbücher erinnert. „Es ist kein Coffee Table Book, sondern ein Kitchen Table Book“, meinte Kuratorin Britta Peters, denn er ist ausdrücklich dafür gedacht, massenweise unter die Leute zu kommen. Immerhin enthält er neben einigen Essays viele Bilder und Informationen zu allen aktuellen und auch zu den aus vergangenen Zeiten erhaltenen Projekten, die dort „Öffentliche Sammlung“ genannt werden. In den nächsten Monaten werden wir immer wieder ortsfremden Kunstfreunden begegnen, die mit diesem Katalog bewaffnet sind. Und mit einer rosafarbenen Karte, auf der zwar alle Kunstwerke verzeichnet sind, die aber nicht dafür geeignet ist, sich in unserer Stadt zurecht zu finden. Daher: helft ihnen bitte!
Die Homepage der Skulptur Projekte wird immer wieder aktualisiert. Inzwischen sind hier auch Informationen zu allen Kunstwerken und Künstlern zu finden.
Mehr zum Thema: Webseite der Skulptur Projekte | Smartphone App (iOS / Android)
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