Bildet skate-aid bald Sportler für Olympia aus?

Mit dem Münster Monster Mastership, ab 1989 in der Halle Münsterland, fing alles an. (Foto: Christoph Hein)
Mit dem Münster Monster Mastership, ab 1989 in der Halle Münsterland, fing alles an. (Foto: Christoph Hein)

Vor knapp 40 Jahren überlegte man noch, das Skateboarden in Deutschland flächendeckend zu verbieten. Letzte Woche gab das Internationale Olympische Komitee (IOC) bekannt, die Trendsportart für Tokio 2020 zuzulassen. Wir trafen uns mit Titus Dittmann und sprachen mit ihm über die Entwicklung des Skateboardings in Deutschland. Die Aufnahme als olympische Disziplin sieht der Skateboard-Pionier allerdings kritisch. Klar ist schon jetzt: Olympia krempelt vielleicht die Skateboard-Szene um, ganz sicher aber nicht die inhaltliche Arbeit von Dittmanns Stiftung „skate-aid“.

1978 schrieb Titus Dittmann seine Examensarbeit mit dem Titel „Skateboarding im Unterricht“. „Das war eine revolutionäre Tat. Ich habe nicht nur ein Disziplinarverfahren am Hals gehabt“, erinnert sich Dittmann zurück, „sondern bin auch ausgelacht und beschimpft worden.“ Heute sind wir soweit, dass er mit dem Skateboard als Hilfsmittel versucht, die Welt zu verbessern. Dazu kam es bereits zu seiner Zeit als Unternehmer, als der Skateboard-Pionier seine mittlerweile weltweit bekannte Firma „Titus“ aus dem Nichts aufbaute und diese erfolgreich durch gute, aber auch schlechte Zeiten führte. Währenddessen war der Dittmann immer wieder weltweit in Krisengebieten unterwegs, um Kindern eine Alternative im Leben zu bieten und diese aus ihrem Alltag zu entlocken. Und das mit einem Skateboard?

Damals noch "Brett für Titus Dittmann" heute lautet seine Motto: "Brett für die Welt". (Foto: Titus Dittmann)
Damals noch „Brett für Titus Dittmann“ heute lautet seine Motto: „Brett für die Welt“. (Foto: Titus Dittmann)

„Der Dittmann, der hat doch nicht alle Tassen im Schrank“, wurde über ihn gesagt. Aber die Erklärung des 67-Jährigen dazu ist einleuchtend: in der Pubertät wird das Bedürfnis nach Selbstbestimmung sehr dominant und ist damit ganz entscheidend für die Persönlichkeitsentwicklung. Das Skateboarden ist im Kern eine klassische, selbstbestimmte Sportart. Man betreibt es gemeinsam aus eigenem Antrieb heraus. Es gibt keinen Trainer, man lernt am Modell. Ist jemand besser, schauen es sich andere bei ihm ab und eifern ihm nach, der Wettkampf spielt dabei keine Rolle.

Skateboarding trägt zur Persönlichkeitsentwicklung bei

Die pädagogische Wirkung einer solchen selbstorganisierten Sportart sei enorm, erklärt Dittmann. Sie habe eine erheblich bessere Wirkung auf die Persönlichkeitsentwicklung von Jugendlichen. „Das heißt aber nicht, dass fremd-organisierte Sportarten schlecht sind“, betont er, „doch für die Identitätsfindung ist Skateboarden ganz eindeutig besser als Fußball.“ Denn Skater achten sehr darauf, dass sie nicht fremdbestimmt werden, dies sei das höchste Gut und bedeute Freiheit. Wer Skateboarder verstehen will, müsse kapieren, dass ein Skateboard mehr als nur ein Sportgerät sei, mit dem man einen Wettkampf gewinnen will, erläutert Titus Dittmann, das Board sei eben auch ein Ausdrucksmittel von Persönlichkeit. Und genau das bietet er mit seiner Stiftung „skate-aid“, die weltweite Projekte auf die Beine stellt, um Kindern in ein selbstbestimmtes Leben zu führen.

Titus Dittmann mit seinem (dem damals europaweit einzigen) Half-Pipe-Skateboard. Heute geht er es allerdings etwas entspannter an. (Foto: th)
Titus Dittmann mit seinem (dem damals europaweit einzigen) Half-Pipe-Skateboard. Heute geht er es allerdings etwas entspannter an. (Foto: th)

Und nun soll das Ganze sogar olympisch werden. Das Internationale Olympische Komitee (IOC) teilte in der vergangenen Woche mit, für die Olympischen Spiele 2020 in Tokio neben Baseball, Karate, Sportklettern und Surfen auch das Skateboarding als neue Sportart zuzulassen. Hier dürften allerdings weniger die pädagogisch wertvollen Gründe im Vordergrund stehen, als die finanziellen Aspekte. Titus Dittmann sieht diese Entscheidung durchaus kritisch und befürchtet, dass am Ende ein Funktionär, der keine Ahnung von dieser Kultur hat, die Skateboarder wie Hammer- oder Diskuswerfer behandelt. Aus diesem Grund arbeitet er auch mit dem Internationale Rollsportverband FIRS zusammen.

Bei Olympia gehe es um Politik und Geld, sagt er, ihm gehe es als Vertreter der Skateboarder aber vor allem um die Inhalte. Daher versuche er jetzt, im Sinne der Skateboarder zu verhandeln und versuchen, das Beste für die Skateboardkultur herauszuholen. „Ich habe 24 Jahre lang die Skateboard-Weltmeisterschaften organisiert und bin noch immer für die größte Contest-Serie Europas verantwortlich. Es gibt niemanden, der, zumindest in Europa, so lange dabei ist, wie ich“, betont Dittmann, der als „Vater der deutschen Skateboard-Szene“ gilt. „Ich traue mir zu, zwei Welten zusammenzubringen: die des Erwachsenensports und die der Jugendkultur. Mir ist es wichtig, dass bei Olympia Menschen über das Skateboarden entscheiden, die etwas davon verstehen“ sagt er.

Titus im Interview mit unserem Redakteur Tobi Müller. (Foto: th)
Titus im Interview mit unserem Redakteur Tobi Müller. (Foto: th)

Durch Olympia zum Mainstream

Bereits 1988 etablierte er mit den „Münster Monster Masterships“ das weltweit größte Skateboard-Event in Münster. Die Weltstars der Szene trafen sich in Westfalen, weil es keinen Weg daran vorbei gab. „Das muss man sich vorstellen: Ein Tony Hawk, der große Star seiner Zeit, zahlte damals noch 100 Mark Startgebühr, um dabei sein zu können. Heute müsste man den Stars 100.000 Euro zahlen.“ Und genau dort sieht Titus nun auch die eventuell entstehende Gefahr für sein Projekt „skate-aid“. Denn durch Olympia werde das Skateboard plötzlich „Mainstream“.

Trotz der Genugtuung, damals den richtigen Weg eingeschlagen zu haben, obwohl ihn jeder für verrückt erklärte, betont Dittmann, dass sein Herz nicht für Olympia, sondern immer für die wichtigen pädagogisch wertvollen Vorteile schlagen werde. Diese werde er auch weiter für die Arbeit bei „skate-aid“ nutzen. Somit wäre also zu 100% ausgeschlossen, dass es jemals im Interesse von ihm oder seiner Projekte sein wird, Flüchtlingskinder zu Olympia-Sportlern auszubilden.

 

51PMW1dh08LVerlosung

Man merkt: Titus Dittmann ist ein Mensch mit vielen Facetten, der in seinem Leben schon so einiges auf die Beine gestellt hat und sich auch von Nackenschellen nicht von seinem Weg hat abbringen lassen. Man könnte eigentlich ein ganzes Buch darüber schreiben. Doch das gibt es bereits und auch dort hatte Dittmann selbst seine Finger im Spiel. „Brett für die Welt“ lautet der, passend zum Leben des Tausendsassas, gewählte Titel des Buchs.

Um eins von 10 handsignierten Exemplaren zu gewinnen, schickt ihr uns über das Gewinnspiel-Formular den bürgerlichen Vornamen von Titus Dittmann und tragt diesen unter „Stichwort“ ein. Die Verlosung startet sofort und endet am Mittwoch, dem 10.08.2016 um 18:00 Uhr. Die Gewinner werden per Mail benachrichtigt. Es gelten die Teilnahmebedingungen.

Ein Kommentar

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert