Der Hansaring ist an Wochenenden selten menschenleer, an diesem Samstag war er aber besonders lebendig. Mindestens 50 Künstler traten beim B-Side Festival in gut 20 Lokalen oder Geschäften auf, wovon die meisten viel zu klein waren, um all die interessierten Zuschauer und Zuhörer aufzunehmen. Wie gut, dass es so sommerlich war, dass einfach die meisten draußen bleiben und der Musik durchs offene Fenster lauschen konnten.
Ganze Menschentrauben versammelten sich so vor dem ExKaffee, vor Eulen & Lerchen oder Kitty’s Trinksalon zu den Klängen von Rap, Comedy oder Singer-Songwriter-Pop. Selbst in das größte Lokal am Hansaring, die Bohème Boulette, konnten irgendwann nur noch Besucher hereingelassen werden, wenn andere herauskamen. Dafür gab es drinnen auch eine schweißtreibende Mischung aus Balkanswing, Soul und Ska mit den Urban Turbans. Schon am Nachmittag war es nach dem Auftakt am Freitagabend mit familienfreundlichen Aktionen wieder gestartet: Flohmärkte, auf denen Anwohner in ihren eigenen Hinterhöfen Trödel anboten, Kinderschminken auf dem Bürgersteig vor dem Second-Hand-Laden Rumpelspielchen oder „Haareschneiden gegen Spende“ beim Friseur H20 Ambulanz.
Und Markus Hauschild, der mit seinen ganz speziellen Fotos seit einigen Jahren die Darstellung von Mercedes, Schalke oder der deutschen Fußballnationalmannschaft prägt, zeigte im Nomad Bilder von Konzerten rund um den Hafen von Münster. Besonders seltsam aber war die Aktion „Gib dein letztes Hemd für die B-Side“, bei der Künstler Sascha Unger die T-Shirts von freiwilligen Teilnehmern zerschnitt, um daraus eine bunte Kette von Wimpeln zu knüpfen, die den Hansaring schmücken sollte.
Dieses bunte Programm diente tatsächlich einem Zweck, nämlich das Projekt „B-Side“ noch bekannter zu machen. Und es war der Startschuss für die Finanzierungskampagne, um aus dem alten Hill-Speicher auf der B-Seite des Hafens ein Gemeinschaftshaus für Kunst und Kultur zu machen. Dafür haben freiwillige Helfer, wie Wolfgang Arens vor dem Kitty’s, fleißig Spenden gesammelt und Merchandising-Produkte verkauft. Der Eintrittspreis zu den Konzerten konnte frei gewählt werden, dafür gab es dann einen riesigen Stempelabdruck auf die Hand, um nicht bei jedem Ortswechsel erneut Bares in die hölzerne Box legen zu müssen. Immer wieder lief Sascha Kullak von einer Kneipe zur nächsten, um Scheine einzusammeln oder Wechselgeld zu verteilen. Sein eigentlicher Platz war aber der Infostand des „B-Side e. V.“ an der Ecke gegenüber von Plan B und Kaffeegießerei. Zwischen orangefarbenem VW-Bus und einem leer geräumten Büroraum war das Vorstandsmitglied unermüdlich dabei, interessierte Bürger über die Pläne seines Vereins aufzuklären.
„Keine Hüpfburg für Hedonisten“
Ziel des eingetragenen Vereins ist es, auf der südlichen Hafenseite günstige Gewerbeflächen für Kreative aus Münster anzubieten und damit ein kreatives Ökosystem zu schaffen, das sich gegenseitig befruchtet. Sascha Kullak denkt dabei nicht nur an Musik, Kunst und Theater, sondern auch an offene Werkstätten für Handwerkliches oder an die Arbeit am Computer: „Das kommt immer auf die Person an und in welchem Genre sie arbeitet. Es soll jeder seine Miete zahlen, auch wenn sie niedrig angesetzt ist. Wir wollen da keine Hüpfburg für Hedonisten bauen, sondern wir wollen, das da drin normal gewirtschaftet wird.“ Neben Künstlern könnten es daher auch Designer, Journalisten oder Software-Entwickler sein, die einen geschützten Raum brauchen, um ihre Geschäftsidee auszuprobieren. Dass es dafür einen Bedarf gibt, wurde bei einer Online-Umfrage sehr schnell klar: nach nur 24 Stunden hätte die gesamten 1.300 Quadratmeter in dem erstaunlich großen Gebäude voll vermietet sein können.
Ein Gewinn wäre dieses selbst verwaltete Haus auch für die Bürgerschaft von Münster, denn es sind auch zwei Veranstaltungsräume für die Hafenkante geplant. Was noch fehlt, ist das Geld. Sascha Kullak geht von maximal fünf Millionen Euro aus, die für Kauf und Umbau benötigt werden, „mit allen Sicherheiten. Aber es sind alles Studenten, junge Selbständige, wir haben das Geld nicht aus eigener Tasche. Aber wir glauben fest daran, dass Münster das Geld hat und Münster auf so etwas wartet, so eine Idee zu unterstützen.“ Zehn bis 30 % der Summe sollen als Direktkredite aus der Bürgerschaft eingeworben werden: „Das sind dann alles Nachrang-Darlehen, damit wir noch mehr Geld von der Bank aufnehmen können. Sollte es einen Konkurs der GmbH geben, dann wird natürlich erst die Bank bedient, und erst danach die Gläubiger der Direktkredite. Das ist der Haken an der Sache. Aus diesem Risiko machen wir auch kein Hehl draus. Aber wir haben verschiedene Sicherungen eingebaut, die den Konkurs verhindern.“
Auf dem B-Side Festival wurde Kullak jedenfalls schon von mehreren Bürgern angesprochen, die eine solche Förderung zusagten und dabei meinten, schon seit zehn Jahren auf ein Projekt dieser Art zu warten. Unterstützung gibt es auch aus der Politik: im Frühjahr hat der Stadtrat beschlossen, dass der Ruderverein Münster von 1882 e.V., der ein Auge auf das Erdgeschoss geworfen hatte, und die B-Side-Künstlerinitative, wie der Verein da noch hieß, gleichberechtigt in den Hill-Speicher einziehen sollen. Dafür muss der Verein der Politik allerdings bis zum Jahresende nachweisen, dass er fähig ist, das Konzept zu finanzieren.
Informationen, wie das Gebäude aussehen soll, wie ihr Mieter werden oder das Projekt unterstützen könnt, findet ihr auf der gut gestalteten Homepage des Vereins: b-side.ms
Mehr Bilder vom B-Side Festival findet ihr in unserer Bilderstrecke.
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