Als Aki Bosse mit seinem 90-minütigen Radiokonzert im Jovel-Club fertig ist, hat er sich mehr bewegt als so mancher Fußballprofi während eines Bundesligaspiels. Er springt, tanzt, rudert mit seinen Armen und findet dennoch Zeit, zwischendurch Geschichten zu erzählen, wie die Songs entstanden sind. „Nachttischlampe“ etwa, das die Einsamkeit in einem IBIS-Hotel thematisiert und schon ist der gebürtige Braunschweiger Bosse und bekennende Dortmund-Fan bei Aubameyang und Tuchel.
Vom ersten Moment an nimmt Bosse sein Publikum am gestrigen Abend mit auf einen Trip. Seine Band betritt noch unaufgeregt die Bühne im „Hinterzimmer des Jovels“. Ganz anders der Songwriter selbst, der sofort die Zügel in die Hand nimmt. „So oder so“ singt Bosse mit einer enormen Bühnenpräsenz, „Du lebst, Du lebst, Du leeebst … so oder so oder sooo.“ Der aufblasbare Hai auf der Bühne darf nicht fehlen und seine Band natürlich sowieso nicht.
Mit Blick auf seinen Bassisten Theofilos Fotiadis erzählt er von der Anfangszeit der Band in Wuppertal und davon, dass er seine Herkunft nicht verdrängt oder vergisst und sich immer noch als underdog fühlt. Und schon wedeln wieder die Arme. Bosse animiert zum Mitklatschen und dreht das Mikrofon ins Auditorium, das brav mitsingt von „der schönsten Zeit“, von Kurt Cobaine, dem Sänger und Texter der Band Nirvana. Ein paar Zeilen gibt’s dann auch auf Englisch. Aber Bosse steht ansonsten für deutschsprachigen Indie-Pop, und da kennt das Publikum fast sämtliche Texte, es besteht also nicht die Gefahr einer Peinlichkeit, wenn das Auditorium zum Mitsingen aufgefordert wird. Zur „krummen Sinfonie“ wird dann Herr Spiegelei von Deichkind begrüßt, der links vom Bühnenrand urplötzlich mit einer Trommel erscheint und die Stimmung zusätzlich anheizt mit einer rasanten Schlagwerk-Einlage. Jubel und Geschrei. Und plötzlich singen beide.
Viele Songs sind von der neuen Scheibe „Engtanz“, die es ja in Deutschland auf Platz 1 der Albumcharts geschafft hat. Aber Bosse erzählt auch von seiner Frau, der Schauspielerin und Türkin Asye und der gemeinsamen Zeit in Istanbul, in der einige Lieder entstanden sind. Passend dazu wird die Bühne in rotes Licht getaucht. Die einzige Stelle des Abends, an der es etwas langatmig wird, weil Bosse eigentlich die politische Situation in der Türkei ansprechen will, sich aber in einer Diskussion über die Größe seiner Hände verliert.
Nach einer Stunde schon bedankt sich der Musiker artig bei dem jungen Konzertpublikum, spielt aber einige Zugaben, „Steine“ vom neuen Album und dann spricht er mit jedem seiner Musiker, das Äußerste aus den Instrumenten herauszuholen. Es wird schrill und schriller, hoch und höher, Gitarren, Bass, Trompeter liefern sich ein Wettstreit um den besten Angriff auf das Trommelfell. Selbst die etwa 400 Besucher singen immer höher. Bosse ruft: „Seid Ihr Pfälzer Sängerknaben?“ Und schon bricht alles zusammen.
Zum Abschluss gibt es noch eine ruhige Nummer, ganz so, als ob man sein Kind zu Bett bringt. Ein schöner Abend. Gute Nacht.
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