Immer mehr Patienten mit Morbus Crohn oder Colitis ulcerosa kommen in die Ambulanz für chronisch-entzündliche Darmerkrankungen am UKM. Sie sind auf der Suche nach möglichen neuen Therapien und dem richtigen Verhalten, um ihre Erkrankung zu mildern. Fragen an Dr. Dominik Bettenworth, Oberarzt der Medizinischen Klinik B.
Stimmt der Eindruck, dass die Zahl der Patienten mit chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen (CED) steigt?
Wir wissen, dass in Deutschland rund 350.000 Patienten unter Morbus Crohn oder Colitis ulcerosa leiden. Diese Zahl ist in den letzten Jahrzehnten gestiegen. Und wir sehen die interessante Entwicklung, dass auf der Nordhalbkugel mehr Patienten betroffen sind als auf der Südhalbkugel – ohne dass wir wissen, woran das eigentlich liegt.
Wie entstehen chronisch-entzündliche Darmerkrankungen?
Es ist so, dass die Darmbarriere bei diesen Patienten einen Schaden nimmt. Dann können Darmbakterien in die Darmwand einwandern, werden dort von den Immunzellen erkannt und produzieren eine Entzündung. Aufgrund von genetischen Veränderungen bei diesen Patienten ist die Entzündungsreaktion überschießend, das heißt, man kann diese Entzündung nicht mehr kontrollieren und es entsteht eine chronisch-entzündliche Darmerkrankung.
Ist eine solche Erkrankung gleichzusetzen mit einem Reizdarmsyndrom?
Definitiv nicht – das sind zwei unterschiedliche Paar Schuhe. Bei dem Reizdarmsyndrom ist es so, dass es sich um eine Ausschlussdiagnose handelt, man also andere Erkrankungen ausschließen muss. Bei den chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen gibt es ganz bestimmte endoskopische Befunde und solche der Bildtechnik – zum Beispiel mittels MRT – mit denen wir ganz klar nachweisen können: Das ist ein Morbus Crohn oder eine Colitis ulcerosa.
Gibt es für diese Patienten besondere Verhaltenstipps?
Eine mediterrane Ernährung wäre besonders zu empfehlen. Das bedeutet, viel Obst und Gemüse und regelmäßig Fisch zu sich zu nehmen. Es gibt bestimmte Hinweise, dass Vitamin D und Omega-3-Fettsäuren hilfreich sein können – das ist aber noch nicht abschließend erforscht. Letztlich soll man das zu sich nehmen, von dem man weiß, dass man es gut verträgt. Ein wichtiger Hinweis wäre aber auch, dass Patienten mit Morbus Crohn mit dem Rauchen aufhören sollten. Weil es sich nachteilig auswirkt, indem es beispielsweise das Risiko für Operationen erhöht.
Welche Therapien gibt es und warum sollten Patienten in die CED-Ambulanz zu Ihnen kommen?
Wir haben inzwischen deutlich mehr Präparate für die Therapie zur Verfügung. Kortison hilft zwar bei akuten Zuständen und sorgt dafür, dass die überschießende Entzündung erst einmal beherrscht wird. Langfristig benötigen wir dann oft Antikörperpräparate, die mit weniger Nebenwirkungen einhergehen – dazu braucht es eine gewisse Expertise, die wir hier haben. Darüber hinaus beteiligen wir uns auch an klinischen Studien, die uns ermöglichen, neue, noch nicht zugelassene Präparate zu verwenden. Das alles natürlich unter strengen Auflagen. Wir beobachten genau, wie gut die Patienten auf diese neuen Präparate ansprechen. Leider ist in manchen Fällen trotzdem eine Operation notwendig. Und da haben wir hier am UKM mit dem Team der Allgemein- und Viszeralchirurgie eine sehr enge Kooperation, in der wir mit dem Patienten gemeinsam besprechen, wann der bestmögliche Zeitpunkt für eine Operation ist.
Gibt es neue Therapie-Ansätze?
Es gibt sehr viele Ansätze an unterschiedlichen Entstehungspunkten der CED. Wir erforschen derzeit, wie wir die Entzündungsmotoren blockieren oder aus dem Blut abfangen können. Darüber hinaus gibt es Ansätze, bestimmte Entzündungszellen daran zu hindern, in die Darmwand zu wandern. Und es gibt durchaus sehr innovative Therapien zum Beispiel mit Stammzellen, um bestimmte Formen des Morbus Crohn zu therapieren.
Ist das noch Zukunftsmusik?
Das ist ein fließender Übergang. Neue Medikamente durchlaufen ja einen Zulassungsprozess, der meist mehrere Jahre dauert. Wir beteiligen uns in unserer CED-Ambulanz daran und können den Patienten dadurch etwa auch neue Präparate anbieten.
Werden chronisch-entzündliche Darmerkrankungen in 20 Jahren heilbar sein?
Das ist sicherlich ein gemeinsamer Wunsch, den Patienten und Ärzte haben. In den nächsten 20 Jahren, glaube ich nicht, dass das der Fall sein wird, weil man dafür die Erkrankung wirklich im Detail verstehen müsste. Deswegen glaube ich, dass der nächste Schritt sein wird, dass wir speziellere Therapien entwickeln und den Patienten noch genauer untersuchen, bevor wir dann gemeinsam entscheiden, welches Präparat für den jeweiligen Patienten das richtige Präparat ist.
Ein Video des Interviews mit Dr. Dominik Bettenworth in voller Länge findet ihr hier.