Carina Schmid (The Global Experience, TEDx Münster, DPC) über das Netzwerken und Teilhabe

Auch nach knapp 2 Wochen harter Arbeit noch bester Laune: Carina Schmid (re.) und die Teilnehmer des diesjährigen DPC&S. (Foto: ar)
Auch nach knapp 2 Wochen harter Arbeit noch bester Laune: Carina Schmid (re.) und die Teilnehmer des diesjährigen DPC&S. (Foto: ar)

Zum vierten Mal findet in Münster vom 1. bis zum 12. Juli das Digital Participation Camp (DPC 2015) statt, hier kommen junge Aktivisten aus den unterschiedlichsten Bereichen, etwa Blogger, Mediendesigner, Filmemacher oder auch Menschenrechtsaktivisten zusammen, um gemeinsam an gesellschaftlichen Fragestellungen zu arbeiten und Lösungen voranzubringen. Über 90 Teilnehmer aus über 30 verschiedenen Nationen sind bei der DPC 2015 anwesend. Wir sprachen mit Carina Schmid, einer der Organisatorinnen, über die Chancen und Herausforderungen der Veranstaltung.

Du bist eine der Organisatorinnen des Digital Participation Camps, wie kam es dazu, was war der eigentliche Auslöser?

Vor vier Jahren haben wir einige Leute bei einem internationalen Award in Österreich kennengelernt, die eigene Initiativen gegründet haben und auch mehrfach ausgezeichnet wurden. Und wir haben festgestellt, wir gehen wieder zu irgendwelchen Konferenzen, wo immer schön viel geredet aber nicht viel gemacht wird. Im schlimmsten Fall hat man irgendwelche älteren Leute auf der Bühne sitzen, die darüber reden, wie man die Jugend engagiert. Wir saßen meistens im Publikum und konnten nichts machen außer zuzuhören, es gab keine interaktiven Beteiligungsmöglichkeiten und das hat uns gestört. Dann haben wir gesagt: Ok, dann lass uns mal unsere eigene Konferenz planen, die genau so ist wie wir es gerne hätten. So ist das Camp entstanden und das ist durchaus wörtlich zu verstehen – wir campen, wohnen, leben und arbeiten hier in der Schule. Und digital participation beschreibt ganz grob das, was wir machen, nämlich durch digitale Medien eine Teilhabe ermöglichen. Das kann in allen möglichen Bereichen sein – also alles, was mit nachhaltiger Entwicklung zu tun hat, es geht immer darum, gesellschaftliche Probleme zu lösen und die Welt ein bisschen besser zu machen. Das kann im Bereich Gender Equality sein, im Gesundheitsbereich, Armutsbekämpfung – eigentlich alle globale Probleme, die es so gibt, können hier bearbeitet werden. 

Wir leben im Digitalen Zeitalter, das ersetzt aber offensichtlich nicht die persönlichen Kontakte. Was ist für Dich so wichtig daran, warum nicht einfach nur ein Online-Workshop?

Es geht ja nicht nur unbedingt darum, dass wir online arbeiten, sondern dass wir digitale Medien nutzen – deshalb dieses digital participation. Man sieht in den letzten Jahren ganz viele Länder, wo Sachen passiert sind – zum Beispiel bei den ganzen Ländern, die vom Arabischen Frühling betroffen waren – da spielten Neue Medien eine ganz große Rolle: in der Art, wie man sich ausdrückt, in der Art, wie man sich organisiert, sich verabredet und man kann die Missstände durch digitale Medien auf den Kopf stellen, wenn man es gut macht. Das kann z. B. heißen, dass wir in Deutschland als normale Person mit Politikern in Kontakt kommen durch eine Plattform wie Abgeordnetenwatch. In vielen Ländern gibt es sowas noch nicht und da passieren im Moment unglaublich viele Sachen, wir haben z. B. eine Gruppe hier, die hat das vor zwei Jahren in Ägypten gemacht. Die hat ein Reporting-System eingeführt für den damals gewählten Präsidenten Mohammed Morsi. Über diese Seite haben sie alle Wahlversprechen aufgestellt und man konnte nachvollziehen, ob die umgesetzt wurden oder nicht. Diese Seite hat so viel Nachfrage erhalten – innerhalb der ersten Nacht waren die schon so oft angeklickt, dass der Server gecrasht ist. Das ist so bekannt geworden in Ägypten, dass nach ein paar Wochen das Büro des Präsidenten bei ihnen angerufen hat. Der Witz daran ist halt, dass sie keine NGO oder eine politisch aktive Gruppe sind, sondern einfach Studenten, die gesagt haben: Wir machen so ein Projekt – und plötzlich berichtet das Büro eines Präsidenten an eine Gruppe, die eigentlich gar keinen Namen hat.

Wassim Zoghlami spürt mit seinem Projekt Twitteraktivitäten von IS-Sympathisanten auf. (Foto: ar)
Wassim Zoghlami spürt mit seinem Projekt Twitteraktivitäten von IS-Sympathisanten auf. (Foto: ar)

Mir ist bei der TEDx der Tunesier Wassim Zoghlami und sein Projekt aufgefallen: Wie entstehen die Kontakte, wie bist Du auf Wassim Zoghlami aufmerksam geworden?

Wir haben seit zwei Jahren ein öffentliches Ausschreibungsverfahren, auf das sich jeder bewerben kann und das gezielt auf die Transformationsstaaten Nordafrikas gerichtet ist, weil das auch vom Auswärtigen Amt gefördert wird. Wir hatten letztes Jahr über 1000 Bewerber – da haben wir fünf Wochen nur damit verbracht, die Bewerbungen zu sichten. Er hat sich letztes Jahr beworben und war hier zur Konferenz, konnte aber nicht in das Praktikantenprogramm aufgenommen werden, weil es schon voll war. Da wir ihn letztes Jahr in den zwei Wochen als sehr hilfsbereiten, netten und fähigen jungen Mann kennengelernt haben, haben wir ihn dieses Jahr als erstes angeschrieben, ob er mitmachen möchte. Er ist jetzt seit drei Wochen bei uns im Praktikum und da hat er mir eher zufällig von seiner Idee erzählt. Er braucht ein festes Projekt für sein Praktikum, weil das auch seine Masterarbeit wird und er musste eine Auswahl treffen. Und ich habe ihm dann gesagt: ‚Daran musst du arbeiten, das kannst du bei TEDx nächste Woche vortragen‘ und das hat er dann spontan gemacht – die anderen Speaker waren schon alle weit vorher ausgewählt und jetzt haben wir das auch noch als Projekt aufgenommen, obwohl wir auch da eine Auswahlphase für Projekte haben, die schon im Mai abgeschlossen war – aber wir sind von dem Projekt überzeugt und das läuft jetzt auch ganz gut.

Hättest Du im Vorfeld gedacht, dass Deine Unternehmungen eine derart politische Dimension bekommen würden?

Nicht so direkt, aber es ist schon spannend, weil wir viel vernetzter sind, als man denkt. Also wenn man in Münster lebt und nicht viel raus geht und nicht viele Kontakte pflegt, hat man vielleicht nichts mit dem Arabischen Frühling oder Terrorismus zu tun, aber in Wirklichkeit ist die Welt halt extrem vernetzt. Generell ist das eine tolle Atmosphäre – also ich merke das immer wieder, wenn ich mal aus der Schule raus gehe in diesen zwei Wochen. Man lernt sehr viel, wenn man sich plötzlich mit solchen Problemen beschäftigt, mit denen man sonst vielleicht nicht so viel zu tun hat. Wir haben hier Leute, deren Eltern gegen Boko Haram kämpfen oder Frauen, die gerade aus dem Kriegsgebiet kommen und dort schwer misshandelt wurden, das sind schon ein paar harte Fälle. Wenn man dann erlebt, wie sich hier Leute über das Wetter aufregen oder über Griechenland herziehen – na ja. Es gibt halt schon schlimmere Probleme.

Was wünscht Du Dir für das Digital Participation Camp in Zukunft?

Vor allem wünsche ich mir, dass die Projekte Erfolg haben und bestehen bleiben, weil es alles wichtige Ideen und Bedarfe sind, wie z. B. ein Projekt aus Palästina, wo eine Plattform für Krebspatienten geschaffen werden soll oder ein anderes aus der Elfenbeinküste, wo eine Plattform geschaffen werden soll, um Bürger mit Politikern in Kontakt zu bringen. Wenn die Leute hinterher nach Hause fahren und es für sie einen Impact hatte, dann ist unser Ziel schon erreicht. Bisher funktioniert das sehr gut und ich bin sehr zufrieden damit.

 

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