Das Ende der Welt beginnt mit einem A. Zumindest wenn man den jungen Menschen Glauben schenken kann, die da im Pelzmantel auf der Bühne stehen und gerade roten Sekt aus Kelchen schlürfen. Einmal kurz die Stimmgabel an das Glas geschlagen und schon ist Musik im Saal. Hinter einer durchscheinenden Leinwand bewegen sich neun junge Menschen und singen kraftvoll von „The end of the world as we know it“. Gestern Abend war Premiere im Pumpenhaus – eine Inszenierung von Alban Renz, gespielt von Cactus Junges Theater.
Der Anfang ist schon verheißungsvoll. Während sich nun also die Protagonisten singend und tanzend hinter der Leinwand befinden, projiziert die Technik Naturaufnahmen darauf – Felsen aus der Vogelperspektive, Wälder, Seen, Flüsse. Es ist die Welt, wir sie kennen und in der auch die Menschen hinter der Leinwand leben. Doch schon in der nächsten Szene gibt es eine groteske Fernsehshow. Menschen müssen Dinge aus ihrer Handtasche präsentieren, die ihnen das Überleben erleichtert oder vielmehr das Leben nach dem Überleben. Doch Obacht – wer etwas unsinniges mitgebracht hat, wird „gentrifiziert“ – oder eliminiert oder erschossen. Alles mögliche wird präsentiert: Taschenlampe, Schlüssel, französisches Vokabelheft. Der ein oder die andere führt auch bestimmte Schlüsselqualifikationen ins Feld. So gibt es etwa einen Steuerberater oder auch eindeutige sexuelle Versprechungen. Klar, wen der Showmaster zum Sieger kürt. Und klar auch, wer nachher zuckend am Boden liegt – wobei das die meisten sind.
Die Apokalypse ist schon so oft beschworen worden, dass niemand mehr so recht dran glauben mag. Natürlich gibt es aber eine Geschichte. Die Geschichte der Menschheit ist eine Geschichte von Krieg und Zerstörungen. In der Inszenierung laufen Daten und Ortsnamen langsam über die Leinwand, Hiroshima, Israel 1967, Bagdad 2002. Afghanistan. Plastisch wird über Dresden berichtet, dass niemand mit einem Angriff gerechnet habe und wie dann halt doch die Flieger ihre tödliche Fracht abgeworfen haben, Blitze zucken, wie sich Haut von den Knochen löst, Menschen verbrennen. Und plötzlich scheint alles atomar verstrahlt, graue Menschen schlurfen über die Bühne, freuen sich über einen offenbar nicht kontaminierten Weißkohl und beten ihn an, essen Ratten mit zusätzlichen Gliedmaßen, töten sich gegenseitig und verfallen dem Kannibalismus. Was passiert, wenn kein Strom mehr produziert wird, wenn niemand mehr die Wartung von Kraftwerksanlagen übernimmt?
Eine beachtliche schauspielerische Leistung. Großes Kompliment an die junge Equipe. Leider hat das Stück auch seine Längen. 100 Minuten ohne Pause müssen dann auch fesseln. Insgesamt aber eine gute Leistung und die Schauspieler haben die Standing Ovations durchaus verdient. Bis kommenden Mittwoch, jeweils um 20.00 Uhr, gibt es noch die Möglichkeit, sich das Stück anzusehen.
- Das sprechende Tier im Jazz-Keller - 8. Februar 2017
- Mit flotter Musik schmecken Crêpes viel besser - 23. Januar 2017
- Früher waren Dick und Doof mal zwei - 23. Januar 2017