Wenn sich sieben junge Frauen in mit Fleisch bedruckten Ganzkörperanzügen, die Zähne bleckend, speicheltriefend und mit Leuchtstoffröhren gespenstisch von unten angeleuchtet, nähern, sollte man vielleicht Reißaus nehmen. So ganz genau weiß man schließlich nicht, ob die Geschichten von blutsaugenden Vampiren oder Menschenfleisch verzehrenden Amazonen am Ende nicht doch wahr sind.
Und so war es ja auch: Die sieben Fleischliebhaberinnen sangen zuvor das „Hohelied“ auf Hack. Es ist wie eine Religion: „Fleisch unser, Dein Siegeszug kommt mit dem Feuer,“ beten die Nymphen in „meat the girl(s)“ im Pumpenhaus. Regie führten Judith Suermann und Sarah Giese. Es ist kein „Mainstream-Theater“, was das Pumpenhaus da zeigt. Das ist es ja eigentlich nie, doch dieses Stück von „Cactus Junges Theater“ hat es in sich.
Als ganz zu Anfang eine Schöpferstimme aus dem Off erklärt, Gott habe keine bestimmende Eigenschaft mehr für die Frau übrig gehabt, weil alle Zutaten schon für den Mann ge- oder verbraucht wurden, werden kurzerhand die Biegsamkeit der Schlingpflanzen, die Süße des Honigs, die Geschwätzigkeit der Elster und 100 andere Eigenschaften vermengt. Währenddessen erheben sich die jungen Frauen mit tanzenden, anmutigen Bewegungen. Fleisch ist das bestimmende Thema, Ketten hängen am Bühnenhimmel mit Schlachterhaken und schon ist man gewillt, die Frauen als Fleisch zu sehen, was natürlich beabsichtigt ist. Doch anders als dieser erste Eindruck berichten die Frauen von ihrer Menstruation, Rote Lola, Blutung, Periode. Das machen sie so komisch, indem sie sich im Kreis bewegen, in ihr Höschen sehen, nach Mutter oder Oma rufen. Und als die Zuschauer gerade lachen wollen, erzählt ein Mädchen vom Freund des Vaters, der nicht wollte, dass das arme Kind allein bleibt. Schließlich streift er ihr das Kleidchen ab. Es wird ganz still im Saal.
Die mit Abstand meisten Zuschauer sind weiblich und jung. Man kann nicht unterstellen, dass sie eine solche Situation erlebt haben, doch die Fantasie reicht aus. Und schon wird aus der Schlachter-Hygiene-Verordnung zitiert. Der Zuschauer ist gefordert. Denn die Verordnung schützt nicht vor den ersten erotischen, gewollten Kontakten. Die jungen Frauen sind verliebt und wollen Sex oder sie lassen ihn über sich ergehen.
Ein Stück, das von Choreografie und Dramaturgie lebt, von vitalen Darstellerinnen, die mit Energie und Lust spielen, mit Witz und Charme, die sich um- und anziehen, sich peinlich ihrer Nackheit schämen, die tanzen und singen vom Fleisch „Tofu – find ich doof Du“. Ganz egal, wie man persönlich dazu steht, es regt zum nachdenken an. Heute Abend, Samstag und Sonntag finden weitere Vorstellungen statt. Ein Besuch lohnt sich.
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