In der rechten Hand den Taktstock, mit der linken lockt und bremst und zeigt er, fordert mehr Emotionen, krümmt sich, richtet sich auf, bricht scheinbar zusammen – Fabrizio Ventura ist ein Phänomen. Gestern Abend dirigierte der Generalmusikdirektor das Sinfonieorchester im Großen Haus. Gespielt wurde Anton Buckners 8. Sinfonie c-moll. Dass wir im Abstand von nur wenigen Tagen gleich zweimal darüber schreiben, kann man sicher auch der grandiosen Leistung der Beteiligten zusprechen. Ursache ist jedoch zuvorderst ein fehlerhaft geordertes Kartenkontingent des Autors.
Der grundsätzliche Eindruck, dass das Konzert die Besucher gefangen nimmt, bleibt bestehen. Das Große Haus ist noch voller als am Dienstag letzter Woche, einige Besucher haben fast das ganze Konzert über die Augen geschlossen. Bruckner hat großartige Musik geschrieben. Dabei ist die erste Fassung bei dessen Freund und Mentor Hermann Levi komplett durchgefallen. Enttäuscht, jedoch voller Energie, schrieb Bruckner die Sinfonie fast vollständig um. Diese zweite Fassung fand dann Wohlwollen und Bruckner widmete sie dem österreichischen Kaiser Franz Joesph I. Die Noten aber sind nur das wert, was das Orchester daraus macht.
Das münsteraner Ensemble um die erste Geigerin Midori Goto zaubert solch eine Klangdichte in den Saal, dass das Publikum ganz entrückt erscheint. Da sind die Streicher, die kraftvoll herzzerreißend das Thema vorgeben. Die „Dramatikabteilung“ um Pauke, Posaunen, Trompeten und Tuba sorgen regelmäßig dafür, dass die Wogen sich auftürmen, Gischt sprüht und alles in sich zusammen bricht. Und natürlich ist da Fabrizio Ventura, der durch winzige Gesten mit Oboisten und Fagottisten kommuniziert. Wer jemals, etwa auf dem Theaterfest, erlebt hat, wie es klingt, wenn Laien das Sinfonieorchester dirigieren, mag ermessen, wie wichtig ein musikalischer Leiter ist. Zeit ist bekanntlich relativ und so wundert es den ein oder anderen, dass das Konzert nach gut 80 Minuten schon vorbei ist. Viele Konzertbesucher erheben sich von ihren Sitzen und applaudieren.
Wenn Ende Oktober das zweite Sinfoniekonert gespielt wird, kann man sich auf Afredo Casella und Ludwig van Beethoven freuen. Wer nicht so lange warten möchte, besucht vielleicht am 17. Oktober den Erbdrostenhof und genießt ein Kammerkonzert in barocker Kulisse.
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