Münsters Bischof Dr. Felix Genn zieht ein Jahr nach der Veröffentlichung der wissenschaftlichen Untersuchung des Historischen Seminars zur sexuellen Gewalt im Bistum Münster Bilanz und betont, dass der Kampf gegen sexuellen Missbrauch keineswegs vorbei sei. In einem Brief an die Mitarbeitenden im Bistum macht er deutlich, welche Maßnahmen seiner Ansicht nach ergriffen werden müssen, um die Vergangenheit aufzuarbeiten und sexuellen Missbrauch zukünftig zu verhindern.
Genn unterstreicht, dass Betroffene neben dem Anspruch auf eine unabhängige Aufarbeitung vor allem ein Recht auf ein verändertes Verhalten kirchlicher Verantwortungsträger haben. Er betont, dass er Tätern gegenüber eine Nulltoleranz-Haltung einnehme, sowohl bei sexuellem Missbrauch im engeren Sinne als auch bei grenzüberschreitendem und unangemessenem Verhalten. Die Umsetzung entsprechender Maßnahmen gestalte sich jedoch oft schwierig. Der Bischof nennt verschiedene Punkte, die seit der Veröffentlichung der Studie umgesetzt wurden. Er betont die Bedeutung von direkten Begegnungen mit Betroffenen und erwähnt ein Treffen mit rund 60 Betroffenen sowie individuelle Treffen mit Einzelnen. Genn hebt hervor, dass es beim sexuellen Missbrauch nicht um „Fälle“ gehe, sondern um Menschen, denen schwerstes Leid zugefügt wurde.
Arbeitsgruppe für Bischofsgruft
Der Bischof erklärt, dass Veröffentlichungen von Missbrauchsfällen in Absprache mit den Betroffenen erfolgen und dass er die Persönlichkeitsrechte der Beschuldigten ernst nehme. Er verweist auf die neue Interventionsordnung der Deutschen Bischofskonferenz, die auch unangemessenes Verhalten im pastoralen Umgang mit schutz- oder hilfebedürftigen Erwachsenen umfasst. Genn stellt klar: „Die Täter sollen wissen, dass ich mich ihnen gegenüber von einer Haltung der Nulltoleranz leiten lasse. Eine Arbeitsgruppe befasse sich mit dem Umgang von Gräbern von Tätern, Beschuldigten und Vertuschern im Umfeld der Bischofsgruft im St.-Paulus-Dom. Die Gruppe hat Vorschläge erarbeitet, die auf der Website des Bistums veröffentlicht werden. Zudem schlägt das Gremium vor, dass Pfarreien, auf deren Friedhöfen Täter beerdigt sind, sich mit dem Thema auseinandersetzen und eigene Entscheidungen treffen sollen. Auch die Pflanzung einer Trauer-Blutbuche mit Gedenktafel in allen Pfarreien des Bistums werde vorgeschlagen.
Mitarbeitende sensibilisieren
Der Kirchensteuerrat hatte Anfang Mai eine finanzielle Unterstützung von 1,75 Millionen Euro für einen Trägerverein der unabhängigen Aufarbeitungskommission bewilligt. Genn betont, dass die Kommission völlig unabhängig von ihm und dem Bistum tätig sein werde. Die bisherigen Angebote des Bistums für Betroffene werden mit der Gründung der Kommission nicht fortgesetzt, sondern sollen in enger Zusammenarbeit mit der Kommission weiterentwickelt werden. Es sei wichtig, den Betroffenen eine Anlaufstelle zu bieten, in der sie Gehör finden, Unterstützung erhalten und ihre Erfahrungen mitteilen können. Bischof Genn betont zudem die Bedeutung von Prävention und Aufklärung. So sollen verstärkt Schulungen und Fortbildungen für kirchliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter stattfinden, um sie für das Thema „Sexueller Missbrauch“ zu sensibilisieren und ihnen Strategien im Umgang damit zu vermitteln. Auch die Zusammenarbeit mit staatlichen Stellen und anderen Institutionen im Bereich des Kinderschutzes soll intensiviert werden, um ein Netzwerk aufzubauen und gemeinsam gegen sexuellen Missbrauch vorzugehen.
Langwieriger Prozess
Darüber hinaus bekräftigt Genn das Bemühen des Bistums, Transparenz zu schaffen. Die Öffentlichkeit soll regelmäßig über den Fortschritt der Aufarbeitung informiert werden. Es sollen regelmäßige Berichte veröffentlicht werden, die die ergriffenen Maßnahmen und deren Wirksamkeit darlegen. Dadurch könne das Vertrauen in die Institution wiederhergestellt und langfristig gestärkt werden. Abschließend betont Bischof Genn, dass die Aufarbeitung sexuellen Missbrauchs ein langwieriger Prozess sei, der Zeit und Geduld erfordere. Er sei sich bewusst, dass das Leid der Betroffenen nicht ungeschehen gemacht werden könne, wolle aber für eine Aufarbeitung der Vergangenheit sorgen, und Maßnahmen ergreifen, um sexuellen Missbrauch im Raum der Kirche künftig zu vermeiden. „Manche Veränderungen gehen mir wie Ihnen dabei sicher nicht schnell genug, anderes geht manchen nicht weit genug, wieder anderen geht es schon viel zu weit. Wir kommen aber voran.“
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