Angefangen hat alles mit Corona. „Im August 2020 habe ich mich mit Dompfarrer Toni Faber vom Wiener Stephansdom getroffen. Wir wollten ein Hoffnungszeichen setzen. Ich wollte dafür gerne den Turm nutzen und kam auf das Symbol der Himmelsleiter“, berichtet Billi Thanner im ALLES MÜNSTER Interview. Denn auch wenn alles geschlossen war und man sich nicht mehr treffen durfte, konnte man doch spazieren gehen und nach oben schauen, wie die Künstlerin erläutert. Beim Blick nach oben wollte sie den Menschen Hoffnung schenken.
Seit September letzten Jahres hängt die Leiter nun am Turm und vor der Orgel von Sankt Lamberti. Inzwischen ist viel passiert, Corona hat an Schrecken verloren, dafür tobt in der Ukraine ein Krieg, den vorher nur wenige für möglich gehalten haben. Während des G7-Treffens Anfang November taufte Münsters Oberbürgermeister die Leiter kurzerhand in ‚Friedensleiter‘ um, „Als ich das hörte, habe ich mich so gefreut!“, erinnert sich die zierliche Frau, deren raue Stimme in einem spannenden Kontrast zu ihrem wienerischen Akzent steht. „Frieden ist, egal wo du bist, so wichtig! Die ‚Friedensleiter‘ lebt mit, sie verändert sich. Findet die Freude wieder, es wird schon wieder!“
Billi Thanners Optimismus ist ansteckend und ihre Liebe zu den Menschen ebenfalls, „Wo auch immer Du bist, überall sind Menschen. Ich empfinde eine große Verbundenheit zu den Menschen. Wir sind keine Personen, wir sind Menschen!“ Auch Münsters Stadtoberhaupt ist begeistert von der Strahlkraft, die im wahrsten Sinne des Wortes von der Himmelsleiter ausgeht: „Die Leiter wurde aufgebaut zu einer Zeit, die von sehr viel Sorge geprägt war: Wie kommen wir durch den Winter, wie wird das mit der Energie aussehen, die Straßenbeleuchtungen sollten ausgeschaltet werden und auf einmal gab es dieses Hoffnungslicht, das hat viele begeistert.“
Die Stufen der Himmelsleiter stehen für die Tugenden, das Werk der 50-Jährigen hing erst am Stephansdom, jetzt an Sankt Lamberti. Über die Frage, ob sie ein gläubiger Mensch sei, denkt die Wienerin länger nach und antwortet schließlich: „Ich glaube an das Gute!“ Die Himmelsleiter selber löst in vielen Menschen sehr unterschiedliche Empfindungen aus, wie sie berichtet: „Architekten fragen mich technische Dinge, Kinder staunen und freuen sich, Gläubige sehen die christlichen Tugenden. Und so ist es, die ‚Himmelsleiter‘ soll zum Denken anregen.“ Wer die Leiter erklimmt, gewinnt an Tugend, er erhebt sich nicht über andere, das ist der Künstlerin wichtig, „Du hast nicht das Recht, auf andere herabzuschauen. Ich mag keine Arroganz!“
Wien vermisst die Leiter und Münster möchte sie am liebsten nicht mehr hergeben, an beiden Orten gibt es Petitionen, die sich entweder für die Rückkehr oder den Verbleib einsetzen. In einer Instagram-Umfrage unter den Leserinnen und Lesern von ALLES MÜNSTER, an der 688 Menschen teilgenommen haben, stimmten 81 Prozent für den Verbleib in Münster. Gibt es Hoffnung, dass die Leiter in Münster bleibt? „Ja! Indem wir alle bemüht sind, im Jahr des Friedens das neue Friedenssymbol in der Stadt zu halten“, sagt Thanner. Markus Lewe hofft beim Gedanken an einen eventuellen Verbleib der Himmelsleiter in Münster auf die Nachbarn im Norden: „Ich wäre schon froh, wenn es uns gelingen würde, sie während des Jahres 2023 behalten zu können. In dem Jahr in dem wir an das Jubiläum des Westfälischen Friedens denken. Wenn es gemeinsam mit Osnabrück gelingen würde, Bilder zu produzieren, wo die Kirchtürme, die ja eine große Bedeutung haben, mit der Kunst von Billi Thanner bestückt werden, wäre das natürlich schon ein sehr schönes Signal. Denken wir erstmal in Stufen: Es wäre schön, wenn wir das bis zum Jahresende hinbekommen könnten.“
Beim Gedanken an einen Verbleib der Himmelsleiter über die Jahreswende hinaus gibt der Oberbürgermeister zu bedenken, dass das Format der Skulpturprojekte nicht zerstört werden darf. Auch die sehr strenge Altstadtsatzung müsse bei solchen Überlegungen mit einbezogen werden. Sollte also Billi Thanners ‚Himmelsleiter‘ Münster nach Ablauf des Friedensjahres 2023 wieder verlassen müssen, blieben zumindest unzählige liebevolle Bilder in den Köpfen der Münsteranerinnen und Münsteraner zurück und das wäre möglicherweise ganz im Sinne der Künstlerin.
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