Die Teilnehmer von Speed-Dating-Veranstaltungen sind viel zurückhaltender und konservativer als vermutet: Meist verlaufen die Gespräche mit musterhaften Fragen routinemäßig ab – und der Flirt-Anteil ist sehr gering. Zu diesem Urteil gelangt die Germanistin Dr. Elisa Franz, die in ihrer Doktorarbeit erstmals die kommunikativen Strategien von Frauen und Männern untersucht hat – in insgesamt 134 Speed-Dating-Gesprächen.
„Die meisten Teilnehmer setzen bei ihrem Gegenüber die Partnersuche als Beweggrund für die Teilnahme voraus“, betont Elisa Franz. „Deswegen signalisieren sie auch keine Sympathie oder Antipathie, sondern gestalten das jeweils fünfminütige Gespräch als ein relativ neutrales, wechselseitiges und biografisches Informationsgespräch. Es knistert dabei also nicht wirklich.“
Für diese Studie untersuchte die Germanistin erstmals Kommunikationsstrategien von Männern und Frauen bei der Partnersuche. Dafür organisierte sie drei Veranstaltungen in einem Bistro in Münster – mit Kerzen und Tischdecken sorgte sie für eine romantische und somit realistische Atmosphäre.
Die Teilnehmer waren zwischen 21 und 35 Jahren alt. Jedes Gespräch war in drei Phasen unterteilt, die jeweils durch einen Klingelton eingeläutet wurden: Beginn / offizielles Gespräch / Verabschiedung.
Schnell zeichnete sich ein typisches Kommunikationsmuster ab. Mit Standard-Fragen beispielsweise nach dem Beruf und etwaigen Freizeitbeschäftigungen verschafften sich die Teilnehmer einen ersten groben Überblick über ihren Gesprächspartner. „Nicht-Standardfragen“ etwa nach besonderen Hobbies oder dem letzten Partner dienten oft dem Wunsch, „das Gespräch am Laufen zu halten“ oder zu „spontanen Positionierungen“. Viele Teilnehmer verglichen sich in den Unterhaltungen mit „sozial anerkannten Typen“ oder bemühten sich um den einen oder anderen Sprachwitz, um sich auf diese Weise möglichst viele Optionen offenzuhalten.
Die Mehrheit der Gäste bemühte sich dabei mehr oder weniger intensiv darum, ihre Teilnahme zu „neutralisieren“. So nahmen sie beispielsweise angeblich nur „aus Spaß“ teil, oder „weil der Sonntag eh ein toter Tag ist“ – immer wieder zählten sie reichlich Gründe abseits der Partnersuche auf. Hintergrund: Sie alle wussten beziehungsweise vermuteten, dass der Status des Single-Daseins in unserer Gesellschaft als „defizitär“ und „begründungswürdig“ eingestuft wird. Andererseits durften und wollten sie sich von ihrer Teilnahme nicht allzu sehr distanzieren, weil sie wussten, dass sie damit ihr gegenüber bloßstellen könnten. „Die Gesichtswahrung war ein starkes Motiv“, unterstreicht Elisa Franz.
Eine positive oder negative Offenbarung dem jeweiligen Gesprächspartner gegenüber fand überraschenderweise nicht statt. Und das obwohl man weiß, dass sich Menschen bereits nach den ersten 100 Millisekunden allein durch die Betrachtung des Gesichts einen ersten Eindruck verschaffen und dem Gegenüber bereits Attribute wie Sympathie, Kompetenz oder Aggressivität zuordnen – und man vermuten könnte, dass eine Speed-Dating-Veranstaltung als Rahmen eine solche Offenbarung fördert. Das Gegenteil war der Fall. „Die Einschätzung des Gegenübers wurde nicht thematisiert“, fasst Elisa Franz zusammen.
Das hängt offenbar auch damit zusammen, dass nach dem aktuellen Stand der Forschung der Flirt bereits einer gewissen Nähe bedarf. Beim Flirt muss man sicher sein, dass der andere mitspielt und man den Flirt gemeinsam produziert. Das Flirten lebt davon, dass in ihm eine Verheißung, eine Versprechung, eine Provokation und Anregung im Hinblick auf „mehr oder weniger explizite erotische Ziele“ liegt. Ein einseitiger Flirt ist dagegen eher eine „Anmache“.
Das Konzept des Speed-Datings stammt ursprünglich aus den USA. Der Rabbi Yaacov Deyoin entwickelte das Verfahren in den späten 1990er Jahren, um alleinstehende jüdische Frauen und Männer in Los Angeles zusammenzubringen.