Seit 2004 ist die Ökologisch-Demokratische Partei (ÖDP) mit einem Sitz im Stadtrat von Münster vertreten, seit neun Jahren durch Franz Pohlmann. Als OB-Kandidat tritt zur Kommunalwahl am 13. September allerdings die Nr. 2 der Liste an, der bisherige Kreisvorsitzende der ÖDP, Michael Krapp. Wir haben ihn zur Wahl befragt, so wie alle, die den Posten des Oberbürgermeisters unserer Stadt anstreben.
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Wie bewältigen Sie und Ihre Partei den Wahlkampf unter Corona-Bedingungen?
Wir Parteien und Kandidaten haben alle das gleiche Ziel: Sichtbarkeit mit unseren politischen Forderungen. Gerade Parteien, die nicht flächendeckend in überregionalen Parlamenten vertreten sind und neu antretende Gruppierungen haben es hier natürlich schwer. Da wir nur 24 Großplakate aufgestellt haben und aus Umweltschutz- und Sicherheitsgründen keinen Laternenwahlkampf machen, gilt es für uns besonders. Wir haben uns deshalb auch über die Blockade des Wahlkompass durch schwarz-grün sehr geärgert.
Wir haben dynamisch reagiert: Neue Werbeformen wie Radscheiben und Fahrradanhänger ermöglichen Sichtbarkeit und wir haben unsere Aktivitäten in digitalen Medien deutlich erhöht. Vor allem aber haben wir uns im Wahlkampfteam in Online-Meetings und Telefonaten up-to-date gehalten und uns nach den Lockerungen im Freien getroffen, um eine gute und informierte Arbeitsatmosphäre aufrechtzuerhalten.
Wohnraum ist in Münster schon lange knapp und wird immer teurer – was werden Sie und Ihre Partei dagegen tun?
Ihre Betonung ist genau richtig: Wohnraum ist schon lange knapp und teuer. Das weist darauf hin, dass es sich neben kurzfristigen Problemen um strukturell gewachsene Probleme handelt, die auch so angegangen werden müssen. Aus ökologischen Gründen lehnen wir den Neubau von ganzen Stadtteilen – zumal über die Köpfe von BürgerInnen hinweg – ab. Lückenschlüsse und durchdachte Nachverdichtung sind weiterhin relativ schnell umsetzbare Maßnahmen. Darüber hinaus müssen aber die strukturellen Probleme in den Blick genommen werden, damit nach dem nächsten realisierten Baugebiet nicht das übernächste folgen muss.
Das heißt ganz klar: Die Stadt muss bei stabiler deutscher Gesamtbevölkerung ihren auf unbegrenztes Wachstum ausgerichteten Kurs ändern und es müssen Anreize geschaffen werden, pro Person weniger Wohnfläche in Anspruch zu nehmen. Wir müssen uns klarmachen, dass der Wohnraum pro EinwohnerIn allein in den letzten zehn Jahren um 2qm gestiegen ist. Das ist ein zusätzlicher Bedarf in Münster von 600.000 qm oder 8 – 10.000 Wohnungen, ohne dass ein Wohnungssuchender eine neue Wohnung hätte.
Die Konsequenz aus dem Gesagten ist, dass die Stadt aufhören muss, um jeden Preis Unternehmen nach Münster zu lotsen. Es müssen Regionalkonzepte entwickelt werden, sodass eine Wohn- und Arbeitsbalance auch in den Umlandgemeinden gegeben ist. Darüber hinaus brauchen wir in Münster eine Stärkung des sozialen Wohnungsbaus, der unter anderem über eine Erhöhung der Mittel und der Handlungsfähigkeit der Wohn + Stadtbau erreicht werden kann. Daneben brauchen wir auch weichere Maßnahmen: Wohnungstauschbörsen und Förderung von Mehrgenerationenwohnen und gemeinschaftlichem Wohnen, damit die vorhandene Fläche optimal genutzt wird.
Wie sieht in Ihren Augen eine vernünftige Verkehrspolitik für Münster aus? Was wollen Sie und Ihre Partei davon in den nächsten Jahren umsetzen?
Wir wollen die Verkehrswende um 180°. Das heißt: heraus aus fossiler Mobilität, Steigerung des Umweltverbundes aus Fuß, Fahrrad, Bus und Bahn, autofreie Innenstadt, flächendeckend Tempo 30. Eine Stadtbahn – ob schienengebunden oder nicht – muss endlich her, genauso wie Metrobusse, die schnell und bequem in die Stadt fahren. Wir wollen den Rad- und Fußverkehr konzeptionell mit Fachleuten in der Stadtverwaltung prioritär behandeln. Wir haben die Vision von einem lebenswerten Münster, in dem das Leben nicht durch motorisierten Verkehr belastet wird. Dazu müssen Radwege instand gehalten, das Gehwegparken beendet und Ampelschaltungen zugunsten des Umweltverbundes umgestellt werden. Carsharing kann in unseren Augen eine gute Ergänzung zum Umweltverbund und eine notwendige Alternative zum eigenen Auto sein. Deshalb müssen wir dieses ebenfalls fördern.
Welche 3 Dinge wollen Sie und Ihre Partei nach einer erfolgreichen Wahl zuerst für Münster durchsetzen? (Wenn Sie im Stadtrat die erforderliche Mehrheit dafür gewinnen können)
Konsequenter Klimaschutz. Für uns geht Wachstum nicht vor Umweltschutz. Wir werden Maßnahmen zur Erarbeitung in Auftrag geben oder bereits bestehende Konzepte beschließen, die sicherstellen, dass Münster 2030 klimaneutral wird. Dieser hochkomplexe Prozess muss schnellstmöglich angestoßen werden, damit BürgerInnen, Verwaltung, Experten und Politik diese Mammutaufgabe verträglich und souverän lösen.
Die autofreie Innenstadt. Im Gegensatz zur Medienwahrnehmung sind wir genauso wie andere politische Gruppierungen in Münster seit Jahren dafür. Die Linke hat im Juni bereits einen entsprechenden Antrag gestellt (wurde leider mit den Stimmen der Grünen abgelehnt). Die Mehrheit ist also spätestens nach der Wahl vorhanden. Wichtig ist, dass die Umsetzung moderiert wird, um eine gute Lösung für die Stadt zu finden. Dabei dürfen aber keine Halblösungen gefunden werden. Konsequent autofrei mit Innenstadtstärkung. Wir wissen aus Städten, die das schon ausprobiert haben, dass dies Hand in Hand geht.
Wir werden die verwaltungsinterne Haltung zum Gehwegparken aufheben und Rechtskonformität wieder herstellen. Gehwegparken schränkt umweltfreundliche Mobilität ein und gefährdet andere Verkehrsteilnehmer massiv. Daher werden wir uns auch nicht dem Argument „Parkdruck“ beugen – der „Parkdruck“ ist das Problem. Konsequente Parkraumbewirtschaftung könnte hier ein Ansatz sein.
Sie hatten in der letzten Amtszeit mit Franz Pohlmann nur einen Vertreter im letzten Stadtrat – was konnte der denn als Solist erreichen? Und wie wird es wohl in der Zukunft aussehen: Welche Rolle kann die ÖDP im Stadtrat spielen?
Was heißt „nur“? Wir konnten im Rahmen unserer Ratsgruppe sowohl über Anträge als auch über kritische Begleitung von Entscheidungen aktiv oder korrigierend einwirken. Dazu haben Franz Pohlmann und weitere engagierte Ehrenamtler in den Ausschüssen konstruktiv an den Ratsentscheidungen mitgewirkt – das vergisst man ja häufig. Wir erkennen schon, dass wir mit unserer konsequenten Haltung auch langfristig Bewegung in einzelnen Fragen bewirkt haben, die dann später von den Fraktionen aufgenommen wurden. Durch die Zusammenarbeit mit der Piratenpartei haben wir als Ratsgruppe mit eigenen Anträgen viele Impulse gesetzt (z. B. Forderungen der Fridays for Future, 1,5-Grad-Ziel in das städtische Klimakonzept aufnehmen, Speckbrettsport fördern).
Da wir stark gewachsen sind, sowohl was Mitgliederzahl als auch Stimmenzahl bei den letzten Wahlen angeht, gehen wir von einer deutlichen Stärkung aus. Zwei bis drei Sitze und damit deutlich mehr Spielraum erhoffen wir uns für die nächste Ratsperiode, gerade auch, weil viele BürgerInnen, für die das Thema Klimaschutz zentral ist, von den unsäglichen Kompromissen in der schwarz- grünen Rathauskoalition enttäuscht sind. Wir sind da eine echte Wahlalternative: wir stimmen mit den Grünen bei vielen guten Projekten, werden aber bei faulen Kompromissen harte Kante zeigen und unsere Rolle als ökologisches Korrektiv wahrnehmen.
Was unterscheidet Sie persönlich von Ihren Konkurrenten im OB-Wahlkampf in Münster?
Ich will niemandem zu nahe treten, aber ich habe den Eindruck, dass mir BürgerInnenbeteiligung und Sachpolitik derartige Herzensanliegen sind, dass es mir weh tut, wenn das nicht die Maßstäbe der Kommunalpolitik sind. Außerdem wünsche ich mir, ich müsste keine Politik machen, weil die Kollegen schon alles richtig machen.
Was wollen Sie als OB besser machen als der amtierende Markus Lewe?
Ich werde eine klare Haltung zeigen. Mit mir wird es kein links und rechts gleichzeitig geben, wie es im letzten Jahrzehnt leider so häufig vorkam: Klimaschutz, aber Straßenbau. Radverkehrsförderung, aber laissez-faire gegenüber Gehwegparken. BürgerInnenbeteiligung, aber bloß nicht, wenn Kritik kommt. Demokratische Werte vertreten, aber sich nicht gegen Rechts abgrenzen. Das Ansehen der Stadt schützen, aber MitarbeiterInnen nicht.
Die spektakulären Alleingänge der Vergangenheit (ZAB, Musikcampus) mit der Botschaft „Ich als OB habe das möglich gemacht“ vertragen sich überhaupt nicht mit meinem Verständnis der Rolle eines OB. Es geht um Teamarbeit und darum, BürgerInnen ernst zu nehmen und mit ihren Kompetenzen an der Stadtpolitik teilhaben zu lassen.
Vertreter welcher anderer der jetzt zur Wahl angetretenen Parteien nervt Sie persönlich gerade besonders? Und warum?
Mein Grundsatz ist, dass ich mich nicht über Vertreter anderer Parteien auslasse. Was mich politisch in Münster aufs Äußerste nervt, ist der fehlende Wille zur konsequenten Sachpolitik, vor allem in der Umwelt- und Mobilitätspolitik. Und aktuell, dass CDU und Grüne den Wahlkompass verhindert haben, der gerade während Corona ein maßgebliches Instrument für ein faires und demokratisches Wahlgeschehen gewesen wäre.
Wir sind neugierig darauf, welches Unterhaltungsangebot Sie persönlich in Münster besonders gerne nutzen. Hand aufs Herz: welchen Sportverein unterstützen Sie als Fan?
WWU Baskets Münster.
Welches Theaterstück haben Sie zuletzt in Münster gesehen?
Why not? Reality Show im Pumpenhaus.
Welches Konzert haben Sie zuletzt in Münster live erlebt?
Krönungsmesse von W.A. Mozart in der St. Joseph-Kirche mit der Kantorei an St. Joseph und dem JugendchorZentrum Süd.
Wo möchten Sie in Münster tanzen gehen, wenn es wieder möglich ist?
Tanzen ist eher nicht so mein Ding (fragen Sie gerne meine Frau), aber ich freue mich riesig auf ein Heimspiel der WWU Baskets.
Michael Krapp ist 48 Jahre alt und arbeitet als Geschäftsführer eines Finanzberatungsunternehmens für nachhaltige Geldanlagen. Familienstand: verheiratet Kinder: 2 (16 und 22 Jahre) In Münster seit: 1997 Bisher höchstes politisches Amt: Kreisvorsitz der ÖDP Münster von 2014-2020
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