Sie stehen im wahrsten Sinne des Wortes vor der Kamera oder im Rampenlicht, wenn es darum geht, sich gegen Rechtsextremismus und für eine offene Gesellschaft zu engagieren. Bei ihnen laufen die Fäden zusammen, wenn unterschiedliche Interessen gebündelt und Veranstaltungen organisiert werden müssen. Am Ende stehen dann manchmal Kundgebungen wie die erste gegen Pegida im Jahr 2015 oder die möglicherweise größte Demo Münsters im Februar dieses Jahres gegen den Neujahrsempfang der AfD. Doch dieses Engagement passt nicht jedem. Wir sprachen darüber mit Stephan Orth, Fabian Pegel, Carsten Peters und Isaak Rose.
Hinter den großen Demos der letzten Jahre, die in Münster Tausende oder sogar Zehntausende Menschen zum friedlichen Protest gegen rechte Ideologien und Menschenfeindlichkeit mobilisiert haben, stehen immer Teams engagierter Einzelpersonen, von denen einige ganz besonders exponiert und damit angreifbar in der Öffentlichkeit stehen. Stephan Orth, der 2015 die erste große Demo gegen Pegida organisiert hat, gehört ebenso dazu, wie Fabian Pegel von den „Busters“, Carsten Peters vom Bündnis „Keinen Meter den Nazis“ und Isaak Rose von der „Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes – Bund der Antifaschist*innen (VVN-BdA)“. Für sie und andere engagierte Bürgerinnen und Bürger gehören Pöbeleien und Bedrohungen inzwischen zum Alltag.
Persönliche Übergriffe
„Rund um die Versammlungen gibt es immer wieder gefälschte Bestellungen, Zeitungs-Abos etc., die in meinem Namen aufgegeben werden. Am Tag nach der großen Anti-AfD-Demo vom 17. Februar hatte ich ein offenbar persönlich eingeworfenes Schreiben mit Pöbeleien im Briefkasten in einer schmierigen Tüte“, wie Peters berichtet. Auch Orth wurde damals persönlich bedroht: „Ich stand an einer Bushaltestelle in Wolbeck, auf einmal hielt ein Auto und ein Mann stieg aus. Der kam mir mit seinem Gesicht vielleicht auf bis zu fünf bis zehn Zentimeter heran und schrie mich an, wenn ich ihn nochmal bei der Polizei anzeigen würde, dann gäbe es richtig Probleme. Ich war in dem Moment ziemlich geschockt und hab einfach nur zugehört. Nachdem der dann eingestiegen und weggefahren ist, war ich entsetzt und auch ziemlich emotional angefasst. Das hätte auch anders ausgehen können, es war nötigend, beleidigend und vor allem bedrohlich.“ Der Angriff war die Reaktion auf eine Anzeige Orths, nachdem er von dem Mann bei Facebook beleidigt wurde. „Ich habe es dann auf sich beruhen lassen, weil ich dachte – die Anzeige hatte wohl gesessen. Heute würde ich mir so etwas nicht mehr gefallen lassen und das Ganze auch juristisch bis zum Schluss durchziehen.“
Auch Rose wurde bereits mehrfach auf Demos attackiert: „Besonders auf Protesten werde ich immer wieder angegriffen. Mal mit Kaffee überschüttet, dann verbal bedroht und beleidigt oder körperlich angegangen. Zuletzt von einem AfDler vor dem Neujahresempfang, der seinen Frust über die große Demonstration auslassen wollte und wild um sich schlug.“ Auch Pegel geriet nach einer Gegendemo gegen die sogenannten „Montagsspaziergänge“ mit einer Gruppe betrunkener Männer der rechtsextremen Burschenschaft „Franconia“ aneinander, die eine Antifa-Gruppe überfallen und deren Fahne stehlen wollte.
Die Welt des Hasses ist das Netz
Persönliche Übergriffe wie diese stellen in Münster bislang die Spitze der Bedrohungen dar, weitaus verbreiteter sind Drohungen und Beleidigungen im Internet und hier vor allem in den Sozialen Medien oder Chatgruppen bei Telegram oder WhatsApp. Als eine besonders gravierende Form der Bedrohung ist hier das Veröffentlichen von Fotos oder das Benennen von Wohnadressen zu beobachten. Das kennt auch Rose: „Wir sind ständig Anfeindungen der extremen Rechten ausgesetzt. Als öffentlich auftretende Antifaschist*innen sind wir eins der Ziele des Faschismus. Ich persönlich werde vor allem durch meine öffentlichen Auftritte als Redner oder aktiv auf Demonstrationen gegen Rechts von denen als linker Feind markiert. Zuallererst wird beleidigt, dann versucht, den Protest zu kriminalisieren und wenn beides nicht funktioniert, wird versucht, persönlich Druck auszuüben. Gewaltandrohungen, das Veröffentlichen vermeintlicher Adressdaten und das Fahnden mithilfe von Bildern nach mir, passieren regelmäßig.“
Wie diese Drohungen konkret aussehen, weiß Rose aus eigener Erfahrung: „Meistens sind das Drohungen gegen die körperliche Unversehrtheit oder Ankündigungen in die Richtung ‚Du wirst schon sehen, was nach Tag X passiert‘. Tag X meint dabei die Machtergreifung durch Faschisten wie Höcke. Ab da soll es, wenn es nach der extremen Rechten geht, eine große Abschiebeoffensive geben, bei der alle Menschen, die nicht ihrem Bild von ‚Deutsch‘ entsprechen, deportiert werden.“ Woher der Hass kommt, da sind sich Stephan Orth, Fabian Pegel, Carsten Peters und Isaak Rose einig, von rechts. „Aktuell lässt sich deutlich sagen, dass die AfD und ihre Anhänger*innen an der Spitze der Kampagnen stehen“, wie Rose betont.
Lediglich Orth hat bei seinem Anti-Pegida Engagement vor fast neun Jahren auch Kritik von links geerntet, „Es gab auch Kritik und Verleumdungen von einzelnen linksextremen Gruppen, die damals nicht damit einverstanden waren, dass ich mich sowohl von linker wie rechter Gewalt distanziert hatte. Das könne man qualitativ nicht vergleichen – und angesichts der Mordfälle von NSU, den unmittelbaren körperlichen Gewalttaten etc. stimmt das sicherlich. Deshalb fand ich diese Kritik inhaltlich durchaus in Ordnung, wenngleich ich den Stil nicht besonders konstruktiv fand.“
Aufhören ist keine Option
Angesichts der Anfeindungen das politische Engagement einzustellen, ist für die Vier keine Option. „Das trifft mich nicht. Es sind ja Verhaltensweisen, die vor allem feige sind. Auf keinen Fall aufhören, dafür ist das Engagement zu wichtig. Wir stärken uns untereinander, sind solidarisch und unterstützen uns. Das trägt weiter“, wie Peters betont. Auch Rose sieht keinen Grund, sein politisches Engagement einzuschränken, eher im Gegenteil: „Die Situation wird nicht besser, wenn Faschist*innen an der Macht sind und ich dabei schweigend zusehe. Wenn es sich nicht mehr verhindern lässt, weiß ich aber, dass ich alles in meiner Macht mögliche getan habe, das zu verhindern.“
Die Angriffe aus der rechten Szene können nicht nur nervig, sondern auch gefährlich werden. „Überlegt gut, welches persönliche Risiko ihr für euch und Menschen, die euch nahestehen, eingehen könnt. Enge Freund*innen, Familie, Partner*innen, Kinder und Eltern werden von Faschist*innen ebenso als Ziele ausgemacht, wenn sie euch kennen. Eure öffentlichen Auftritte, sei es beim Halten von Reden oder in weniger politischen Kontexten, werden ausgekundschaftet. Das fängt schon bei Social Media-Posts an, geht aber auch über die Arbeitsstelle und darüber hinaus. Seid euch darüber im Klaren und schaut, inwieweit ihr euer Gesicht zeigen könnt. Der Kampf gegen den Faschismus findet nicht nur in der Öffentlichkeit statt, es gibt viele Bereiche, in denen sich betätigt werden kann“, rät Isaak Rose.
Einen ganz praktischen Tipp hat Fabian Pegel: „Ich empfehle, bei der Stadt Münster einen Antrag auf Auskunftssperre zu stellen, um persönliche Daten etwas besser zu schützen, mit denen in Behörden leider sehr leichtfertig umgegangen wird. Ansonsten kann ich den Austausch mit anderen Aktivist*innen sehr empfehlen, sowohl für die Aufgabenteilung, als auch um nette Menschen zum Austausch zu haben, die verstehen was man gerade alles durchmacht.“ [Link zur Stadt Münster, um eine Auskunftssperre zu beantragen: https://www.stadt-muenster.de/buergerservice/meldeangelegenheiten/rechte-und-datenschutz/auskunftssperren]
Wieder in den Dialog kommen
Stephan Orth, der aktuell Pastoralassistent in Herten und ab Herbst voraussichtlich Pastoralreferent sein wird, wünscht sich, dass die Menschen der rechten Szene, die sich aktuell vornehmlich hasserfüllt in den Sozialen Medien hervortun, wieder in den Dialog eintreten: „Leute, ganz ehrlich: Was soll das? Glaubt ihr wirklich, das bringt‘s? Wir sind in einer Demokratie. Ihr dürft eure Meinung äußern. Aber niemand hat die Pflicht, sie auch zu teilen. Begebt euch in den Diskurs, aber haltet Widerspruch aus. Und versucht mal zu verstehen, dass auf der anderen Seite auch nur Menschen sind. Selbst wenn sie eure Meinung nicht teilen. Lasst uns streiten, aber hört mit dem Unsinn auf!“
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