Es herrscht ein globaler Konsens darüber, dass der Verlust von Biodiversität und die Ausrottung ganzer Arten ökologisch, ökonomisch und gesundheitlich betrachtet, der Menschheit ihre Lebensgrundlage entziehen wird. Doch während beim Thema Artenschutz die meisten an Panda, Tiger und Co denken, sind es insbesondere Süßwasserfische, Amphibien und Schildkröten, die durch Klimawandel, Lebensraumverlust oder auch Neozoen an den Rand der Ausrottung gedrängt werden. Das geschieht weitestgehend von der Öffentlichkeit unbeobachtet. Um all dem entgegenzuwirken, hat der Allwetterzoo Münster seinen erweiterten Artenschutzcampus ins Leben gerufen.
„Das ist kein Bau-, sondern ein Meilenstein für den Artenschutz, der hier geschaffen wurde“, freute sich Zoodirektorin Dr. Simone Schehka bei der Eröffnung des neuen Artenschutzcampus. „Ich bin so stolz auf das Team, das das alles hier in Eigenleistung umgesetzt und realisiert hat.“ Über 20 verschiedene Arten werden im neuen Teil des Campus zu erleben sein, wo über die Zusammenhänge von Artenschutz und Zoos informiert wird. Zudem werden an einzelnen Arten exemplarisch die vielfältigen Herausforderungen zum Arterhalt erzählt. So zum Beispiel beim von der Ausrottung bedrohten Mitchells Waran, der ursprünglich im Norden Australiens lebt und auch in den neuen Campus einziehen wird.
Moderner Artenschutz
Im Verbreitungsgebiet dieser Warane hat sich die invasive Agakröte breit gemacht. Die Warane fressen die Kröten und sterben an deren Gift, was für einen Bestandsrückgang des Warans um mehr als 80 % – regional sogar bis zu 97% – gesorgt hat. Aber auch die Evers-Reisfische, Pityusen Eidechse, Mallorca-Geburtshelferkröte sowie Tag- und Mauergeckos und die Deserta Tarantel veranschaulichen sehr gut, mit welch komplexen Herausforderungen es der moderne Artenschutz aufzunehmen hat. Die über 20 im Artenschutzcampus zu erlebenden Arten gehören zu den Tausendfüßern, Spinnen, Insekten, Fischen, Amphibien, Schildkröten und Kriechtieren. Was die meisten eint, ist, dass sie in der Natur mindestens bedroht, oftmals von der Ausrottung bedroht und in mindestens einem Fall in der Natur sogar schon ausgerottet sind.
Die Vereinten Nationen erklärten den Zeitraum von 2021 bis 2030 zur UN-Dekade für die Wiederherstellung der Ökosysteme. Schädigungen der Ökosysteme sollen verhindert, beendet oder am besten sogar umgekehrt, und die Öffentlichkeit hierfür sensibilisiert werden. „Und hier kommen unter anderem wir ins Spiel“, sagt Dr. Philipp Wagner, Kurator für Forschung und Artenschutz im Allwetterzoo Münster und Ideengeber für diesen Teil des Artenschutzcampus. Zoos zählen weltweit zu den führenden Experten für die erfolgreiche Haltung und Zucht bedrohter Tierarten außerhalb ihres natürlichen Lebensraums. „Artenschutz wird ultimativ definiert als langfristige Bewahrung von Arten in ihrem natürlichen Lebensraum. Dies wird – wo sinnvoll – durch den komplementären Einsatz von in-situ- und ex-situ-Maßnahmen erreicht“, erklärte Wagner. Im Naturschutz sind ex-situ-Maßnahmen zur Erhaltung der Artenvielfalt solche, die außerhalb des eigentlichen Lebensraums einer Art stattfinden, beispielsweise in Botanischen und Zoologischen Gärten oder in Genbanken. In-situ-Maßnahmen finden im natürlichen Lebensraum statt, beispielsweise das Ausweisen von Schutzgebieten.
Gezielte Kombination von Maßnahmen
Die Weltnaturschutzunion IUCN unterstützt seit langem die ex-situ-Maßnahmen der Zoos für den Erhalt bedrohter Tierarten und empfiehlt die gezielte Kombination von in-situ und ex-situ-Maßnahmen. Dieser Ansatz, der „One Plan Approach“ (OPA), betrachtet die in-situ und ex-situ-Populationen bedrohter Tierarten als jeweils eine globale Population, die entsprechend gemeinsam gemanagt und geschützt werden muss. Ein Beispiel, dass diese zwingend notwendige Zusammenarbeit von in- und ex-situ-Projekten verdeutlicht, ist die Rettung des Feuersalamanders. Der Allwetterzoo Münster beteiligt sich aktiv an dem Schutz dieser besonderen Amphibien, die auch in Münster, hier im Wolbecker Tiergarten, der zu den ältesten Wäldern Westfalens gehört, vorkommen.
Hierfür wird im Bereich des Artenschutzcampus eine eigene Station gebaut, die sich einzig um den Schutz und die Nachzucht der Salamander kümmert. Sie soll in 2024 in Betrieb genommen werden. Möglich ist das aber nicht ohne Partner und daher arbeitet der Allwetterzoo unter anderem mit dem Tiergarten Nürnberg, dem Zoo Wuppertal und den Artenschutzorganisationen Naturschutzbund, Landesbund für Natur- und Vogelschutz und Citizen Conservation zusammen. So können die Tiere aus der Natur entnommen, auf den Pilz Batrachochytrium salamandrivorans untersucht und in Obhut genommen, gepflegt und gezüchtet werden. Keine leichte Herausforderung. Die Sporen des Pilzes sind in der Lage, lange Zeit im Wasser und Boden zu überleben. So leben die Krankheitserreger nachweislich in Süßwassersystemen weiter, indem sie sich an Mikroplastik, eine weitere Herausforderung für Ökosysteme und ihre Bewohner, anheften.
Abfallwirtschaftsbetriebe Münster mit im Boot
Unterstützt werden Schutz und Nachzucht der Feuersalamander auch durch die Abfallwirtschaftsbetriebe Münster (awm). „Wir arbeiten schon viele Jahre mit dem Allwetterzoo Münster in den beiden Bereichen Artenschutz und Bildung für nachhaltige Entwicklung (BNE) zusammen und haben in diesem Kontext auch schon in der Vergangenheit Patenschaften für vom Aussterben bedrohte Tiere übernommen. Dass wir jetzt dazu beitragen können, mit dem Feuersalamander eine auch in Münster heimische Tierart zu schützen, freut uns besonders. Umgekehrt wollen wir die Experten des Allwetterzoos in Zukunft noch stärker in unser Vorhaben einbinden, weitere bedrohte Tierarten auf unseren rekultivierten Deponien in Münster-Coerde anzusiedeln“, berichtete awm-Sprecherin Manuela Feldkamp.
Eine weitere Besonderheit des neuen Artenschutzcampus wird sein, dass die Besucher einen Einblick in das renommierte Internationale Zentrum für Schildkrötenschutz (IZS) des Gründers Elmar Meier erhalten. Dieser Bereich ist nur in Ausnahmen für Besucher zugänglich, da sich hier teils extrem bedrohte und vom Aussterben bedrohte Exemplare asiatischer Schildkröten befinden. So zum Beispiel die Zhous Scharnierschildkröte. Forscher gehen davon aus, dass diese Art in der Natur bereits ausgerottet wurde. Da die Art nur aus der menschlichen Obhut bekannt ist, kann nicht genau gesagt werden, welche Lebensräume bevorzugt werden. Es wird vermutet, dass diese Art in Berggebieten von Nord-Vietnam oder Laos lebte. Das IZS ist international führend in der Haltung und Zucht dieser seltenen Tiere, von denen es weltweit keine 400 Individuen mehr gibt.
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