Viel Nostalgie, aber auch frischer, von Posaunen in den Saal geblasener Wind, erwartet ein sehr gemischtes Publikum an diesem sommerlichen Abend in der Halle Münsterland. Alex Christensen hat sich nach einigen coronabedingten Terminänderungen angekündigt, und der „King of Kirmestechno“ bringt Verstärkung mit: Sein „Berlin Orchestra“ steht auf die Minute pünktlich um 20 Uhr auf der Bühne und überrascht mit einem fulminanten orchestralen Intro, bevor sich der Meister selbst an sein DJ-Pult – bestehend aus seinen überdimensionalen Initialen – begibt.
Schon zu Beginn wird die Arbeitsteilung klar: Herr Christensen sorgt für die launige Moderation und satten Techno-Bass, die rund 20 Musiker um den musikalischen Leiter Florian Arndt kümmern sich um klassisches Flair und den großen Sound. Und das funktioniert ganz exzellent: Getreu dem Motto „Ein Abend – nur Hits“ wird alles abgefeuert, was in den Neunzigern die Tanzböden und Hitparaden im Sturm eroberte.
Ganz in weiß, aber ohne Blumenstrauß, präsentieren sich die Musiker auf einer ansonsten angenehm minimalistisch gehaltenen Bühne, während LED-Wände und eine gut durchdachte Lichtshow für zu den Songs passende Farbstimmungen sorgen. Stimmung ist ohnehin ein gutes Stichwort: An der mangelt es weder im Publikum, noch auf der Bühne. Die Spielfreude auf der einen und Tanzfreude auf der anderen Seite liegt sicherlich auch in der Auswahl der Stücke begründet. Während Dancefloor-Hits wie „Desire“ und „Around The World“ („in meiner Version besonders gut!“) sorgsam arrangiert und sehr effektiv instrumentiert daherkommen, wird immer wieder mit viel Spaß improvisiert, wobei sowohl Pianist und Bandleader „Herr Arndt“ als auch der neue Cellist im Orchester eindrucksvoll Können uns Spontanität beweisen. Auch der Rest der Band weiß zu überzeugen: Drei Sängerinnen und ein Rapper kommen enorm druckvoll und stimmgewaltig daher, Geigerin Katharina und Saxophonist Lukas dürfen in zahlreichen Soli Instrumental- und Entertainerqualitäten unter Beweis stellen, Bläser- und Streicherregister spielen ebenfalls auf Topniveau.
Wenn man Hits einer Ära spielt, die schon 30 Jahre auf dem Buckel hat, bleiben auch emotionale Momente nicht aus, denn nicht alle Wegbegleiter durften das Revival des 90er-Sounds noch selbst miterleben. So hält Christensen an einigen Stellen inne und gedenkt verstorbenen Dancefloor-Ikonen wie Robert Miles („Children“) und Prince Ital Joe („United“ – wohl der Ohrwurm des Abends). Doch auch noch lebenden Vertretern wie dem schweizer Urgestein DJ Bobo („Somebody dance with me“) wird angemessen Tribut gezollt.
Einziger Wermutstropfen ist die Performance von TikTok-Sternchen Ana Kohler, die bei einem kurzen Ausflug in die 80er (mit „Sweet Dreams“ und „Never ending story“) gegenüber den anderen Sängerinnen deutlich Routine und Stimmgewalt vermissen lässt. Aber das ist Jammern auf hohem Niveau und wird weitgehend durch die eingespielten Backings übertüncht.
Neben den großen Hits der 90er – erstaunlich viele davon zumindest teilweise aus der Feder des Gastgebers – darf selbstverständlich mit „Du hast den schönsten Arsch der Welt“ auch der Höhepunkt der Christensen‘schen Lyrik aus den 2000ern nicht fehlen. Neben vielen Anekdoten und seinem nicht unbegründeten Selbstbewusstsein lässt Alex Christensen aber auch einen sehr angenehmen Hang zur Selbstironie erkennen. Bestes Beispiel ist die schönste Requisite des Abends: Ein Mopedhelm im Diskokugeldesign, den ihm die Kreativagentur anstelle des gewünschten neun Meter langen U-Boots (U96!) zugestanden hat. So ist es auch nicht weiter verwunderlich, dass Sängerin Linda in der ersten Strophe von „Free“ von einem heftigen Lachkrampf ob Christensens konsequenten Tragens dieses Prachtexemplars geschüttelt wird.
Fazit des Abends: Eine Menge Hits von „Das Boot“ über „Mr. Vain“ bis „No Limit“ und „Rhythm is a dancer“, eine sympathische Moderation und erstaunlich gute Gesangseinlagen von Alex Christensen, hervorragende Arrangements und ein sehr ausgefeilter Mix aus Techno und Klassik und eine durchgängig tanzende und jubelnde Halle Münsterland – und Ohrwürmer für mindestens den Rest der Woche! So kann man sich eine Zeitreise in die Neunziger absolut gefallen lassen.
- Zieh die Sportsocken hoch, es ist Zeitreise! H-Blockx feiern „30 Jahre Time to Move“ im ausverkauften Skaters Palace - 2. November 2024
- Crossover-Klassiker „Time to move“ frisch gepresst auf den Teller H-Blockx veröffentlichen nach 30 Jahren Vinyl-Neuauflage des Erfolgsalbums - 22. Oktober 2024
- Die Meute tobt in Münster Hamburger Electroblaskapelle bringt die Halle Münsterland zum Tanzen - 19. Oktober 2024