Sie haben mit den Füßen gewippt, die Hände auf die Oberschenkel geschlagen, mitgesungen und am Ende getanzt – und das in der voll bestuhlten Friedenskappelle. Die etwa 150 Zuschauer waren Zeugen eines grandiosen Konzertes, das für die Ausschüttung von jeder Menge Endorphinen sorgte. Am Ende sind die Menschen glückselig gewesen. Addys Mercedes war gestern Abend mit ihrer „family band“am Willy-Brandt-Weg.
Einer konnte das Konzert leider nicht miterleben. Organisator Tim Eberhardt, anfangs noch in Zivil, hat sich der guten Sache verschrieben und sich auf einen Spendenlauf um den nahe gelegenen See begeben. Sinn der Sache war es, Spenden zu sammeln für Movember, einen Verein, der es sich zur Aufgabe gemacht hat, die Männergesundheit zu verbessern.
Alle anderen aber erlebten, wie die Kubanerin Mercedes anfangs nur zu hören war, während Ehemann Cae Davis die Saiten seiner Gitarre zupfte und Tochter Lia die Violine streichelte. Den Mann an Ukulele und Gitarre stellt Addys Mercedes später als den „Adoptivonkel“ Pomez di Lorenzo vor: „Wir sind leider nicht die Kellyfamily“ sagt sie mit einem Augenzwinkern. Zwei, drei Lieder nur, dann hat die „Familienband“ das westfälische Publikum aufgetaut. Das liegt natürlich auch und vor allem an Addys, die bei einem langsamen Stück, nur mit Gitarrenbegleitung, durch die Zuschauerreihen schreitet und mit dem Auditorium flirtet. Immer wieder tauscht sie ihr Instrument, spielt Gitarre, Guiro (das ist eine Art Ratschgurke) und Cajon (Kistentrommel). Das Tempo, in dem die Musiker spielen, variiert stark, mal langsam, meistens aber kubanisch schnell.
Jedes Lied stellt Addys kurz vor. „Ich habe immer auf die Bühne gewollt, hatte aber nichts anzuziehen. Irgendwann hat meine Mutter mir ein Kleid mitgebracht von einer Frau, die verstorben war.“ Und dann entwickelt sich die Melodie. Da muss man nicht Spanisch sprechen können. Man stellt sich das arme Kuba vor, das erst jetzt langsam, ganz allmählich einen kleinen wirtschaftlichen Aufschwung erfährt. Als es um die Frau geht, deren Mann nicht erwachsen werden will, erklärt die Sängerin, dass sie nicht aus Havanna sondern vom Land kommt. Auf Kuba bedeutet „Land“ noch etwas anderes als bei uns, es gibt ja kaum Autos. Zwischendurch bekommt Tochter Lia einen Lachanfall und kann sich gar nicht beruhigen. Das wirkt so sympathisch, auch weil sie weiter ihr Instrument bedient, dass der ganze Saal lacht.
Die sechzehnjährige Lia spielt schon seit neun Jahren Geige und seit fünf Jahren steht sie gemeinsam mit den Eltern auf der Bühne. Sie ist der Sonnenschein, hält die Augen geschlossen und sieht doch alles, spielt Keyboard, bildet mit Vater und „Onkel“ den Backgroundchor, tanzt gemeinsam mit der Mutter. Natürlich sind die Münsteraner nur mit einem Trick zum tanzen bereit.
Nach dem Konzert kommt die kleine, unschuldige Lia auf die Bühne geschlendert, klimpert ein bisschen mit den Augen und sagt: „Wir spielen eine Zugabe“, Applaus, „wenn ihr tanzt.“ Und tatsächlich hält es niemanden mehr auf dem Sessel, in der ersten Reihe erhebt sich sogar eine Frau, die sicher weit über 70 Jahr alt ist.
Als dann tatsächlich Schluss ist, kommt auch ein verschwitzter Tim Eberhardt zurück, der im Trainingsanzug Spenden sammelt. Ein sehr schöner Abend.
- Das sprechende Tier im Jazz-Keller - 8. Februar 2017
- Mit flotter Musik schmecken Crêpes viel besser - 23. Januar 2017
- Früher waren Dick und Doof mal zwei - 23. Januar 2017