Das Licht geht aus an diesem Montagabend in der gut gefüllten Halle Münsterland, die Retro-Spots hüllen die Bühne in warmes, gemütliches Licht. Entgegen der ganz bescheidenen Ankündigung „und Band“ ist die Bühne gut gefüllt, mit ausreichend Instrumenten, um einen kleinen Musikalienhändler neidisch zu machen.
Dass dann zunächst nur sechs Musiker ihre Plätze einnehmen, mag den ein oder anderen verwundern, jedoch geht der Trend ganz offensichtlich zum Zweit-, Dritt- oder gar Viertinstrument. Schließlich ist die Truppe hochkarätig besetzt: An der Trompete im dreiteiligen Bläsersatz überzeugt der inzwischen in Deutschland ansässige New Yorker Ausnahmemusiker Steve Wiseman, Sohn von Motown-Legende Larry Wiseman, der auch schon im Duke Ellington Orchestra und dem Glenn Miller Orchestra glänzen konnte. Dementsprechend spektakulär fallen auch seine wohldosierten Solo-Einlagen aus. Nicht weniger prominent ist Uwe Granitza an Posaune und Tuba, der bereits die Roger Cicero Big Band leitete und aktuell die musikalische Leitung an den Hamburger Kulthäusern Thalia Theater und St. Pauli Theater innehat. Das Bläsertrio komplettiert Andreas Böther an Saxofon und Flöte, seines Zeichens Musical Director am Hansa Theater und am Deutschen Schauspielhaus sowie musikalischer Leiter der Big Band der Hamburger Universität.
Hochkarätige Begleitband
Für die tiefen Töne sorgt mit Achim Rafain der zweite Achim des Abends, der schon für Otto Waalkes und Stefan Gwildis in die dicken Saiten griff. Bekannt aus zahlreichen Musicals (u. a. „Tarzan“ und „Mamma Mia“) und mehr als 120 Albumproduktionen ist Percussionist Yogi Jockusch, der auch an diesem Abend alle Register kreativer Rhythmusarbeit zieht. Der Preis für die meisten Instrumentenwechsel geht allerdings an den Dänen Nils Tuxen, der neben seinem Bravourinstrument, der Pedal-Steel-Guitar, auch auf Slide Guitar, Mandoline und diversen Bauformen elektrischer Gitarren brilliert (und dies unter anderem auch schon für Konstantin Wecker, Samantha Fox, Reinhard Mey und DJ Bobo tat).
Der Gastgeber des Abends selbst präsentiert sich bescheiden im schlichten Leinenhemd und bestreitet den Abend hauptsächlich mit seiner klassischen Fender Stratocaster und – für die besonderen Momente – einer unaufgeregten Westerngitarre. Wichtigstes Instrument ist jedoch die Stimme, die auch mit fast 80 Jahren nichts von ihrem rauen Charme und der sonoren Prägnanz verloren hat. In Anbetracht seines jahrzehntelangen Schaffens war sicherlich die Auswahl der passenden Songs keine einfache Aufgabe, gelingt aber ganz wunderbar: Achim Reichel präsentiert eine Mischung aus Klassikern wie „Fliegende Pferde“ und „Der Spieler“, aber auch Abseitiges, wie das von Punk-Ikone Kiev Singl getextete „Steaks, Bier und Zigaretten“ findet den Weg ins Programm. Erfreulich oft wird auf das „Regenballade“-Album von 1978 zurückgegriffen, unter anderem in einer sehr eindrücklichen Performance des Titelstücks und den legendären Gedichtvertonungen „Nis Randers“, „John Maynard“ und „Trutz, blanke Hans“ sowie natürlich „Herr von Ribbeck auf Ribbeck im Havelland“, das wohl schon unzähligen Schülern das Lernen des Fontane-Klassikers erleichtert hat.
Kein Abend ohne alle Hits
Unterbrochen durch eine „altersgerechte Pause“ werden in den gut zwei Stunden Spielzeit keine Wünsche offen gelassen, neben einem obligatorischen Shanty gar Volkslieder wie „Der Mond ist aufgegangen“ neu vertont, aber mit „Auf der Reeperbahn nachts um halb eins“ auch eine Hommage an Hans Albers zum Besten gegeben. Ernst wird es bei dem 1989 für das Greenpeace-Jubiläum geschriebenen „Exxon Valdez“, das sich mit der Umweltkatastrophe um den gleichnamigen Supertanker beschäftigt und dessen Aufführung im Fernsehen von Helmut Kohl verhindert wurde – die CDU verstand es wohl damals wie heute, Umweltschutz mit politischen Entscheidungen nach Gutsherrenart zu diskreditieren. Selbstverständlich kann ein solcher Abend nicht ohne Reichels große Hits wie „Kuddel Daddel Du“ oder das von ihm als „Umzugskartonfund“ und „Waisenkind“ bezeichnete, inzwischen mit der Nummer eins in China ausgezeichnete „Aloha Heja He“ (mit den „Sauereien in der dritten Strophe“) auskommen. Zum Abschied wird es mit „Meine Seele spannte weit ihre Flügel aus“ noch einmal nachdenklich, bevor die Band unter begeistertem Beifall die Bühne ver- und das Publikum in die Nacht entlässt.
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