Am Samstag Mittag eröffnete Oberbürgermeister Markus Lewe das B-Side Festival und bekannte sich dabei zu dem Projekt an der anderen Seite des Hafens. Geradezu überschwenglich beglückwünschte er die Initiative aus Münster, die am vergangenen Dienstag 700.000 Euro für moderne Ansätze in der Stadtentwicklung gewonnen hat. Es ist eines von vier bundesweit ausgewählten Projekten, die beim 12. Bundeskongress nationale Stadtentwicklung in Frankfurt am Main den Zuschlag bekommen haben, neben anderen in Hannover, Nürnberg und Altenburg.
„Wer hat 700.000 Euro gewonnen für moderne Ansätze in der Stadtentwicklung? Die B-Side!“ rief Lewe am Hansaplatz zwar aus, das Geld ist aber nicht für ihr eigenes Hausprojekt am Hafen gedacht, sondern für das ganze Viertel. Überzeugt hatte das Team der B-Side die Juroren (und auch Lokalpolitiker wie Markus Lewe) unter anderem bei einem gemeinsamen Zukunftsspaziergang duch das Hansa- und Hafenviertel. Bei der anstehenden Umsetzung werden sie mitwirken und vieles anschieben, aber eigentlich sind die Bewohner des Hansaviertels jetzt dran. Dazu befragte ALLES MÜNSTER-Redakteur Ralf Clausen einen der Initiatoren der Bewerbung, Tobias Stroppel von der B-Side, an Ort und Stelle am Hansaplatz, wo am Samstag die Ergebnisse ihrer Befragung der Viertelbewohner präsentiert wurden.
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Die 700.000 Euro, von denen unser Oberbürgermeister eben bei der Eröffnung gesprochen hat, die sind ja nicht für die B-Side, sondern für das Hansaviertel, oder?
Genau, das ist ein Programm des Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat, bei dem es um neue Modellen der Quartiersentwicklung geht. Abgefragt wurden dabei vor allem demokratische Prozesse: wie kann man Bürgerschaft und Anwohner aktivieren und wie kann man Quartiere gemeinwohlorientiert entwickeln, damit das Ganze möglichst vielen zu Gute kommt.
Haben sich viele Projekte in Deutschland darum beworben?
Ich meine, es waren exakt 100 Projekte. In einer Runde hat man zehn davon ausgewählt. Und die wurden dann durch eine Delegation bereist, aus dem Bundesinnenministerium, dem Bundesinstitut für Bauen und noch ein, zwei anderen, die sich das vor Ort angeschaut hat.
Die haben sich also hier in Münster angesehen, was ihr vorhabt. Die Umfrage dazu gab es aber schon vorher?
Ja, wir haben hier im Hansaquartier und auch anderen Stellen der Stadt oft sehr verschiedene Interessen, die aufeinander kommen. Man merkt, dass immer mehr Themen in kürzeren Abständen die Gemüter hochkochen lassen, sei es das Hafencenter, bezahlbarer Wohnraum, Verkehr und so weiter. Die Stadt Münster hat dann in diesem Prozess „MünsterZukünfte“ die Zukunftsspaziergänge ausgelobt, auf die man sich bewerben konnte. Und da wurden Fragen gestellt: was gefällt euch gerade in eurem Viertel? Was zeichnet es aus? Habt ihr Fragen, die euer Viertel betreffen, die vielleicht die Verwaltung beantworten kann. Und was wünscht ihr euch für die Zukunft, was plant ihr? Da haben wir als B-Side ganz viele Antworten drauf, aber wir wollten es weitergeben und von den Bürgerinnen und Bürgern wissen: was gefällt euch? Was wünscht ihr euch für die Zukunft? Und was seht ihr kritisch? Das haben wir gefragt und ausgewertet.
Die Ergebnisse sieht man hier auf den Tafeln hinter uns?
Die Ergebnisse haben wir ausgewertet und zeigen sie hier. Dabei ist offensichtlich geworden, dass man an vielen Stellen mehr ins Gespräch miteinander kommen muss. Dass für Bauvorhaben keine Akzeptanz mehr da ist, wie wir es für das Hafencenter im Großen, bei den Protesten gegen das Fällen der Platanen auch im Kleinen gesehen haben. Da ging es natürlich um die Bäume, aber auch um die Thematik dahinter. Viele fühlen sich nicht mehr informiert, vermissen Transparenz. Das wollten wir alles aufnehmen und die Menschen ins Gespräch bringen. Ergebnisoffen sprechen, das ist die Idee, die wir ausgearbeitet haben und mit der wir uns beworben haben.
Es geht also vielen Viertelbewohnern um Entwicklungen, die ihnen nicht gefallen, die sie aber kaum aufhalten können. Zumal schon viel Geld investiert worden ist. Wie kann man mit diesen 700.000 Euro da etwas entgegen halten?
Unsere grundsätzliche Idee ist, die Menschen erstmal zu fragen, was sie sich für ihr Viertel wünschen und wie es sich entwickeln soll. Dann machen wir etwas, das wir „Gemeinwohl-Konvent“ nennen, wo alle Menschen zusammen kommen können. Die legen in einem bestimmten Verfahren erst einmal fest, was eigentlich die Kriterien für eine positive, gemeinwohlorientierte Quartiersentwicklung sind. Diese Kriterien stehen dann fest und dann gibt es ein Hansaforum auch wieder mit Menschen aus dem Viertel. Man kann Anträge an dieses Forum stellen und dann z. B. sagen, ich möchte für 500 Euro diese Grünfläche vor meinem Haus verschönern, oder den Postkasten oder was auch immer. Bei den kleinen Beträgen wird das wahrscheinlich über ein Online-Formular laufen. Es kann aber auch jemand sagen, ich möchte den Verkehr reduzieren und ich glaube das ist möglich, indem wir eine E-Lastenradflotte für das Quartier anschaffen, und ich möchte dafür 50.000 Euro beantragen. Da wird dann verhandelt, wie das genau aussehen kann. Die Stadt sollte dann von Anfang an mit im Boot sitzen, gibt dann vielleicht auch noch Geld dazu. Und der Antragsteller auch. So bekommt man eine nachhaltige Bewegung da rein. Das können ganz unterschiedliche Projekte sein: Integration, ökologische Nachhaltigkeit, Jugendprogramme und so weiter. Das ist so die grobe Idee.
Das Entscheidungsgremium soll auch, wie ich hörte, speziell zusammengesetzt sein?
Ja, genau. In diesen erstmaligen Gemeinwohl-Konvent können wirklich alle reinkommen. Wir werden das publik machen, es wird ein Prozess werden, an dem sich alle Bürgerinnen und Bürger beteiligen. Die Idee für das Hansaforum hinterher ist es, dass es zufällig ausgewählte Bewohner des Hansaviertels sind. Nach einem Zufallsprinzip sollen die unterschiedlichsten Menschen das dann beratschlagen.
Das ganze Geld steht ab sofort zur Verfügung oder kommt es so nach und nach?
Das kommt so nach und nach. Das ist für die Jahre 2019 bis 2021, dann muss es auch komplett ausgegeben sein. Beginnen kann es nächstes Jahr, vorher muss aber der erste Prozess losgehen. Und es wird bestimmt ein paar Monate dauern, bis das Geld ausgeschüttet werden kann.
Und das kommt vom Bundesinnenministerium?
Ja, soweit ich weiß sind das Städtebaumittel aus dem Bauministerium. Der Topf wurde aus dem Ministerium selbst heraus entwickelt, es war keine politische Initiative von oben. Das ist erstmal ein Pilotprojekt. Da möchte man natürlich schauen, ob es auf andere Viertel und auf andere Städte anwendbar ist. Es wird hier wirklich ein Modell erprobt.
Besteht nicht die Gefahr, dass es ein Feigenblatt ist für andere Entwicklungen, die schon in die falsche Richtung gelaufen sind?
Insgesamt gab es vier Projekte, die bundesweit ausgewählt worden sind und die sehr verschieden sind und unterschiedliche Schwerpunkte haben. Man möchte herausfinden, was passiert, wenn man so etwas Initiativen überlässt, die das mit der Kommune umsetzen, und woraus Modelle entstehen, die das Ministerium selbst nicht entwickeln kann. Ich glaube, das ist schon ein ehrlicher Versuch, wie so eine Quartiersentwicklung nachhaltig gemeinwohlorientiert laufen kann.
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