30 Jahre Wilsberg: „Am Anfang waren wir ein bisschen ungezogen“ Jubiläumsinterview mit Leonard Lansink

Seit 30 Jahren starke Quoten: Das Wilsberg-Team vor dem Antiquariat. (Foto: Bührke)
Seit 30 Jahren starke Quoten: Das Wilsberg-Team vor dem Antiquariat. (Foto: Bührke)

Am 20. Februar 1995 ging die erste Folge der Krimireihe „Wilsberg“ nach einer Romanvorlage von Jürgen Kehrer über die Sender. Rückblickend erinnert in der Folge „Und die Toten lässt man ruhen“ nur wenig an das, was die Fans seit Jahrzehnten an „Wilsberg“ lieben. Erst mit der zweiten Folge, in der Leonard Lansink erstmals die Rolle des Georg Wilsberg spielte, entwickelte sich die Erfolgsgeschichte, die unverändert anhält. Wir sprachen mit dem Schauspieler, der Wilsberg bis heute ein Gesicht gibt, Leonard Lansink.

*****

Hallo Leonard! In der ersten Wilsberg-Verfilmung hat ja Joachim Król die Hauptrolle gespielt. Kanntest du die Folge schon, als man dich gefragt hat, ob du die Rolle übernehmen möchtest?

Nein. Ich habe mal probiert, sie anzuschauen, aber es war etwas schwierig. Ich fand ihn ein bisschen lustlos, muss ich gestehen.

Das wolltest du dann gerne anders machen?

Ja. Ist uns ja auch gelungen.

Wie war das, als man dich gefragt hat, ob du diese Rolle übernehmen möchtest?

Gerhard Schmidt, der das damals produziert hat, hat mir ein Drehbuch geschickt. Er sagte, liest Dir das mal durch und dann bin ich nach Köln gefahren. Da saßen dann Martin Neumann und Gerhard Schmidt, wir haben uns unterhalten und dann war es das. Ich weiß nicht, ob die noch jemand anderen im Visier hatten.

Leonard Lansink (l.) mit Heinrich Schafmeister als "Manni" in einer frühen Folge. (Foto: Wolfgang Lehmann)
Leonard Lansink (l.) mit Heinrich Schafmeister als „Manni“ in einer frühen Folge. (Foto: Wolfgang Lehmann)

Hattest du dich in der Rolle direkt wiedergefunden?

Nee, aber ich fand das Drehbuch super, das war ein prima Buch von Bernd Schadewald. Dann haben wir den Film so allmählich entwickelt. Damals war ja nicht klar, dass es noch einen weiteren geben wird. Es waren einfach nur 90 Minuten Film für einen Montagabend. Das lief unter dem Motto „Fernsehspiel des Monats“ und das war es eigentlich. Der Sender hat dann auch zwei Jahre gebraucht, um überhaupt nochmal irgendwie auf die Idee zu kommen, weiterzumachen oder noch einen zu drehen.

Als dann klar war, dass ihr einen zweiten dreht, war dann schon absehbar, dass eine Reihe draus wird?

Nee, beim zweiten war es nur der Zweite und dann beim dritten war es der Dritte. Allmählich wurde dann klar, dass wir einen pro Jahr drehen oder auch mal zwei und dann irgendwann mal drei und jetzt sind es vier. Es hat sich wirklich langsam dahin entwickelt.

Hattet ihr damals eigentlich Rückhalt beim Sender? Haben die Verantwortlichen dort gesagt, dass es eine gute Idee ist, die Reihe auszubauen?

Nein. Ich glaube Martin Neumann, also der Redakteur, hatte damals im Sender schwer dafür gekämpft. Für die war das ja auch neu, also die Mischung aus Krimi und Komödie, wir waren ja die Ersten, die das gemacht haben. Es war, glaube ich, nicht jedem beim ZDF klar, dass das eine gute Sache ist.

Aber ihr wart von Anfang an davon überzeugt?

Ja, nachdem die Ersten so gut waren. Deswegen sind wir auch auf den Samstag befördert worden. Hans Janke, der damalige Fernsehspielchef, wollte montags lieber die, sagen wir mal, problematischeren Themen haben, als nur ein bisschen Spaß und ein bisschen Krimi. Als wir auf den Samstag befördert wurden, war es relativ sicher, dass das so weitergeht. Ich hatte vorher schon 28 Folgen „Ein starkes Team“ gedreht und da ging es so ähnlich los. „Ein starkes Team“ fing auch mit einem Film an, der hieß damals „Gemischtes Doppel“. Irgendwann war es dann relativ deutlich zu merken, dass es auch bei Wilsberg so weitergeht. Wie lange es weitergehen würde, wusste natürlich kein Mensch.

Wenn man so wie du als Schauspieler auf den Wilsberg festgelegt ist, schränkt einen das nicht auch ein?

Sagen wir mal, es gibt Dinge, die werden sehr schwer für mich. Einen Mörder im Tatort zu spielen wäre schwierig, das würde mir keiner glauben. Alles andere kann ich natürlich spielen.

Wie hat sich denn die Rolle von Wilsberg, aber auch die der anderen Figuren in der Reihe im Laufe der Zeit entwickelt?

Sekt statt Flaschenbier: Nach und nach wurde es kultivierter. (Foto: ZDF / Thomas Kost)
Sekt statt Flaschenbier: Nach und nach wurde es kultivierter. (Foto: ZDF / Thomas Kost)

Na ja, am Anfang waren wir ein bisschen – wie nennen wir das mal – ungezogen und haben geraucht, wie die Weltmeister und Flaschenbier getrunken und sind scheiße Auto gefahren. Inzwischen ist das alles ein bisschen freundlicher. Keiner raucht mehr und wir trinken jetzt Rotwein und gehen vernünftig mit den Autos um. Es ist nicht mehr so grob und die Egalhaltung fehlt ein bisschen. In den ersten Wilsbergfolgen war es immer so: Egal, wir müssen da durch, also der Wilsberg muss da durch, egal, wie er das schafft. Inzwischen machen wir das ein bisschen netter. Dem Alter entsprechend.

Was magst du an der Rolle des Georg Wilsberg ganz besonders?

In Wirklichkeit ist er ja ein Allerweltsmensch, er ist jemand wie jeder andere auch. Er war mal Anwalt, das Gewerbe ist ihm aber ein bisschen verhagelt worden, deswegen hat er diesen Buchladen und eigentlich will er nur noch Bücher verkaufen. Aber sein Sinn für Gerechtigkeit bringt ihn dann dazu, immer wieder als Privatdetektiv tätig zu werden. Das mag ich besonders. Er kann eigentlich nichts besonders gut, aber kommt trotzdem immer auf die richtige Lösung.

Gibt es auch etwas, was dich stört an Georg Wilsberg?

Nee, eigentlich nicht. Wir haben ihn schon gut dorthin gebracht, wo er hingehört. Er ist allein, aber trotzdem nicht allein und das ist schon ganz in Ordnung so. Er ist ein Junggeselle, der vor sich hin eigenbrötelt, hat aber seine Freunde und natürlich auch heimliche Interessen. Aber das Schlimme ist, immer wenn ihn eine Frau interessiert, stirbt sie. Deswegen fängt er wahrscheinlich auch nichts mit Anna an.

Wilsberg mit seiner altmodischen Kleidung und seiner Verweigerung gegenüber Technologien wie Computern oder Handy, das ist ja schon ein bisschen aus der Zeit gefallen, oder?

Ja.

Sollte man das dann nicht mal anpassen?

Telefon statt Handy. Unnötig zu erwähnen, dass es in Münster an dieser Stelle keine Telefonzelle gibt... (Foto: ZDF / Thomas Kost)
Telefon statt Handy. Unnötig zu erwähnen, dass es in Münster an dieser Stelle keine Telefonzelle gibt… (Foto: ZDF / Thomas Kost)

Je mehr Handys im Film vorkommen, desto schneller ist das Problem gelöst, das ist doof. Und umso weniger muss man zeigen, das heißt, alle telefonieren dauernd und keiner sieht mehr was. Also eigentlich ist das Handy ein bisschen der Tod des Films, deswegen bin ich ganz froh, dass er noch ein Festnetztelefon hat und das auch nur selten benutzt.

Könntest du dir als Leonard Lansink vorstellen, privat mit Wilsberg befreundet zu sein?

Ja, das geht schon, wir würden uns sehen und dann würden wir im „Bunten Vogel“ sitzen oder bei „Mutter Birken“ und am Tresen Bierchen trinken und nix sagen. Genauso wäre das.

Du spielst einen Antiquar und ihr dreht auch wirklich in einem echten Antiquariat, in dem von Michael Solder, das wird ja nicht für euch aufgebaut.

Ja, das stimmt.

Hat das im Laufe der Zeit dein Verhältnis zu alten Büchern verändert oder zu Büchern im Allgemeinen?

Nein, ich finde alte Bücher super zum Angucken, aber lesen tue ich lieber auf dem iPad. Also ja, ich finde sie schon schön, die Buchdruckkunst ist ein sehr wichtiger Teil in der Entwicklung der Menschheit und es gibt wirklich außerordentlich eindrucksvolle Exemplare. Aber um den Inhalt zu lesen, reicht ja auch ein iPad.

Zurück zu 30 Jahren Wilsberg. Du hast schon mit vielen tollen Schauspielerinnen und Schauspielern zusammengespielt, gab es diesbezüglich in den 30 Jahren für dich Highlights?

Rolf Hoppe war eins, er ist ja auch schon verstorben, es war super, ihn kennenzulernen und Barbara Rudnik fand ich auch prima. In der Folge mit Rolf Hoppe hat auch Inge Keller mitgespielt, auch super! Also ich lobe jetzt erstmal die Toten. Die Lebenden, die loben sich alle selbst, das reicht. Es ist natürlich traurig, es gibt halt manche, die haben es nicht so lange geschafft wie ich. Es waren schon eindrucksvolle Kolleginnen und Kollegen, die wir noch miterlebt haben!

August Zirner (l.) in der Folge "Ein Detektiv und Gentleman". (Foto: ZDF / Thomas Kost)
August Zirner (l.) in der Folge „Ein Detektiv und Gentleman“. (Foto: ZDF / Thomas Kost)

Du hast in einem Interview mal gesagt, dass John Nettles fast in einer Folge mitgespielt hätte.

Ja, das war Teil der Geschichte. Es gab die Idee, dass John Nettles, also Inspektor Barnaby, nach Münster kommt und irgendein Problem hat, das gelöst werden muss. Dann kam Corona, das heißt, wir mussten diese beiden Folgen im Schloss drehen und John Nettles ein bisschen warm halten. Nach diesen drei Jahren Corona, hatte er selber Corona und ist auch 80 geworden und hat dann ganz offiziell gesagt, ‚my acting days are over‘. Das heißt, er wollte nicht mehr. Dann hatten wir an den Kollegen gedacht, der den Kommissar Beck spielt in Schweden. Der komischerweise im Bergischen Land geboren ist, also auch gut Deutsch spricht. Es sollte aber doch lieber ein Engländer bleiben und dann war August Zirner so super und hat gesagt: Komm, das mache ich. Er ist halb Amerikaner und hatte das prima hingekriegt. Aber natürlich war die Grundidee, ein Crossover mit Barnaby zu machen.

Unabhängig davon, wie realistisch das ist: Gibt es Schauspielerinnen oder Schauspieler, mit denen Du bei Wilsberg gerne mal spielen würdest?

Robert Mitchum, Lino Ventura, Jean Gabin.

Vielleicht auch einen, der noch lebt?

Ach so, ich lasse mich da gerne überraschen, muss ich gestehen. Ich bestimme da gar nicht so viel, kann ich auch gar nicht. Die Kolleginnen und Kollegen kommen dazu und ich finde die auf einmal ganz prima und bin dann auch hingerissen beim Drehen. Brigitte Zeh zum Beispiel, die ich nicht kannte, die aber eine super Kollegin ist. Die darf auch gerne noch mal wiederkommen, ich glaube, die hat auch keinen umgebracht.

Und wurde auch nicht umgebracht?

Nee, das ist ja immer das Problem, also die Opfer kann man ja noch mal beschäftigen. Nach einer Zeit geht das wieder, nach einer Schamfrist von drei Jahren oder so. Aber die Täterinnen und Täter, die haben es dann ein bisschen schwerer.

Kommt denn Alex noch mal wieder auf Besuch nach Münster?

Ja, wir arbeiten dran.

Letzte Frage: 30 Jahre Wilsberg, was wünscht Du der Reihe für die Zukunft?

Och, dass sie lange gut weiterläuft nach Möglichkeit.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert