25 Jahre Fusion-Club Fusion-Club-Geschäftsführer Thomas Pieper im ALLES MÜNSTER-Interview

(v. l. ): Thomas Pieper und DJ-Legende Sven Väth auf dem diesjährigen Dockland-Festival. (Foto: Bastian E.)
(v. l. ): Thomas Pieper und DJ-Legende Sven Väth auf dem diesjährigen Dockland-Festival. (Foto: Bastian E.)

Ich treffe mich mit Thomas Pieper, Geschäftsführer des Fusion-Clubs, an einem sonnigen Freitagmorgen für ein Interview im Innenhof des Fusions.

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Hallo Thomas, als erstes gratuliere ich dir zum Discotheken-Unternehmerpreis, der dir Mitte Oktober in Berlin verliehen wurde. Das ist eine wichtige Auszeichnung für dein mehr als 20 Jahre langes Wirken in der Clubszene. Macht dich das stolz?

„Vielen Dank! Insgesamt arbeite ich seit 28 Jahren in und mit Clubs. Davor, das war während des Studiums, ging es los mit Events und Partys im Hawerkamp-Keller. Das ist allerdings schon 34 Jahre her. Aber es ist richtig, dass ich seit 28 Jahren als Unternehmer mit eigener Firma arbeite. Damals war das Dockland der erste Club.“

Wir treffen uns heute, um über 25 Jahre Fusion-Club zu sprechen.Erzähl unseren Lesern doch mal, wie du zum Geschäftsführer des Clubs und generell zum Veranstalter von elektronischen Events geworden bist?

„Wir waren damals die Ersten hier, also man konnte sich nirgends was abgucken. Ich war seit Mitte der Achtzigerjahre in der HipHop Szene unterwegs. Ich höre bis heute gerne HipHop allerdings mehr Oldschool. Ich bin ich irgendwann durch Zufall in Chicago gelandet und wie Experten wissen, ist Chicago die Geburtsstätte der House-Musik. Ich bin dort ins Epizentrum hineingeraten. Ich war im Warehouse, einem bekannten Club, und habe mich mit den DJ-Größen aus Chicago angefreundet, die ich später alle nach Deutschland geholt habe. Als ich 1988 das erste Mal im Warehouse stand, war das eine Erleuchtung. Bad Boy Bill, Mike Dunn und Farley Jackmaster Funk, also die ganze Elite aus Chicago, haben da gespielt. Außerdem Armando, auch sehr wichtig, er ist ein guter Freund geworden und leider viel zu früh von uns gegangen. Er war ein fantastischer DJ und großartiger Produzent.“

Marusha legte 2017 im Fusion-Club auf. (Archivbild: Bastian E.)
Marusha legte 2017 im Fusion-Club auf. (Archivbild: Bastian E.)

Der Hawerkamp ist ja als musikalische Wirkungsstätte weit über die Stadtgrenzen von Münster bekannt. Beschreibe unseren Lesern doch die Anfänge. Im Jahr 1994 öffnete das Dockland, ab August 1997 der Fusion Club. Was war in dem Gebäude vom Fusion-Club eigentlich vorher angesiedelt?

„Hier war tatsächlich auch schon ein Club drin. Vor uns gab es den Cosmic-Club und X Floor, das waren die Anfänge. Die ersten Partys wiederum haben wir im Keller des Fusions gefeiert. So gesehen haben wir diese Location hier schon sehr früh geentert, bevor „oben“ überhaupt ein Club eröffnet hat. Im Wechsel mit den Cosmic-Club-Betreibern haben wir House, HipHop und Techno gespielt. Das waren ganz geile Underground-Partys, wenn ich mich daran zurückerinnere (lacht). Anfangs alles ohne Gewinn, nur aus „Spaß an der Freud“. Ursprünglich war das hier eine Fertigungshalle, was bis in die Zwanzigerjahre zurückgeht.“

Ich erinnere mich an mindestens zwei Renovierungen im Fusion, früher stand das DJ-Pult zum Beispiel links.

„Wir haben hier immer wieder gewerkelt, umgebaut und dekorative Elemente eingebracht. Das war extrem wichtig für den Stellenwert des Clubs. Wir sind zum zweitbesten Techno-Club Deutschlands gewählt worden – wie ich finde, zu Recht. Bei dem Magazin Groove sind wir unter den bundesweit sechs besten Clubs gelandet. Es haben Leser aus unterschiedlichen Regionen für uns gestimmt; auch bei dem Magazin Fazemag, was uns natürlich total glücklich gemacht hat. Dass wir so weit oben liegen, hat seine Gründe. Für mich war das immer ein zweischneidiges Schwert. Einerseits haben wir hier ganz großartige Künstler gehabt und auch großartige Nächte, aber andererseits fand ich persönlich, dass der Club optisch und technisch nicht das widergespiegelt, was ich mir vorstellte. Das war auch der Grund, warum wir im Oktober 2021 einen elementaren Switch gemacht und den Club von Profis haben umbauen lassen.

Es wurden alle Lichtquellen eliminiert. Es gibt beispielsweise kein Licht mehr in den Kühlschränken, es gibt nur noch „Down Lights“ an der Theke, damit kein Störlicht entsteht. Wir haben eine wahnsinnig tolle neue Lichtanlage, das ist alles „custom made“. Der LED-Cube, zwei Pyramid-Laser und unser Sound waren immer schon fett, mit der „Funktion-One“. Das war auch noch nicht alles, denn wir werden für den kommenden Sommer den Außenbereich neu machen und auch den Sound im House-Floor bearbeiten. Tatsächlich war es das Glück der Pandemie, denn die Produktkosten waren damals total im Keller, sonst hätten wir uns das nicht leisten können. Wir haben wirklich unser letztes Geld, das wir damals hatten, zusammengekratzt. Das war eine durchaus riskante Nummer zu dem Zeitpunkt, aber es hat sich gelohnt.“

Partystimmung im Fusion. (Foto: Bastian E.)
Partystimmung im Fusion. (Foto: Bastian E.)

Ich habe während der Pandemie (ihr durftet anderthalb Jahre nicht öffnen) deinen Appell, in Form von Videos auf Instagram, an die Stadt Münster und an die Bundesregierung, verfolgt. Du warst dort stets konstruktiv, sachlich, aber auch mahnend und vor allem immer mit einem konkreten Konzept für die sichere Durchführung von Events zur Stelle. Bist du als Veranstalter emotional an deine Grenzen gestoßen, als eure Branche nicht gehört wurde während der Pandemie?

„Ich fand es ein bisschen traurig, dass viele meiner Kolleginnen und Kollegin in ihr Schneckenhaus gekrochen sind. Ich habe gar nicht mal aus der Sicht eines Unternehmers für die Sache gekämpft. Fakt ist, dass wir in Deutschland schon ziemlich gesegnet sind mit der Überbrückungshilfe. Das haben andere Länder nicht, das muss man mal ganz klar sagen. Wir jammern auf hohem Niveau. Ich fand als Vater einer Tochter viel schlimmer, wie konzeptlos und teilweise auch unverantwortlich damals von der GroKo gehandelt wurde.“

Ich habe in diesem Jahr von dem Dockland-Festival berichtet. Wieviel Aufwand ist es ein Festival von dieser Größe auszurichten? Wir sprechen hier immerhin von rund 15.000 Besuchern.

Fusion-Club. (Foto: Bastian E.)
Fusion-Club. (Foto: Bastian E.)

„Das war das stressigste und anstrengendste Dockland-Festival von allen! Da haben wir im Nachhinein auch ‚ein bisschen auf die Mütze bekommen‘ wegen des Einlasses. Wir freuen uns auf 2023, weil wir ganz viele Neuerungen haben, weil wir dieses Jahr gesehen haben, dass manches nicht ganz optimal geklappt hat. Es war aber ein fantastisches Festival und die Stimmung war grandios. Was infrastrukturelle Dinge betrifft, werden wir nächstes Jahr komplett neu aufgestellt sein, das wird richtig schön und spannend. Die Bühne wird bleiben, das wurde gerade erst alles neu gemacht. Wir bauen natürlich ein bisschen um, aber es wird geil und man kann sich auf jeden Fall darauf freuen. Eins ist aber sicher, Food & Beverage und auch der Einlass, werden komplett neu gestaltet und da gehen wir auch bald mit raus. Das wird richtig richtig gut! Wie du schon sagst, es war ein fantastisches Festival, aber auch die größte Herausforderung, die wir bisher zu bewältigen hatten.

Wir kommen aus einer Pandemie und unsere Mitarbeiter sind alle weg, also die Teilzeitkräfte. Wir konnten nur noch Stamm der Festangestellten halten, da mussten wir tatsächlich keinen Mitarbeiter entlassen während der Pandemie. Man arbeitet auf so einem Festival natürlich mit Teilzeitkräften, weil man keine 300-400 Festangestellten hat. Und die Teilzeitkräfte waren alle weg, gerade als es wieder losging nach dem Lockdown. Das heißt, dass wir dringend Mitarbeiter finden mussten und das war der nackte Wahnsinn. Wir hatten beispielsweise 300 Leute auf dem Platz, die noch nie Bier gezapft haben, weil die, die es können, inzwischen woanders gearbeitet haben. Wir mussten also eine ganz neue Crew, quasi im Crashkurs anlernen. Die Alternative die wir damals hatten, wäre tatsächlich nur gewesen, zu sagen, ‚Ey Leute, wir haben zwar genügend Angestellte, wir machen es aber trotzdem nicht, weil die nicht geschult genug sind und daher könnte es manchmal am Getränkestand länger dauern‘. Das wird nächstes Jahr alles anders werden, weil wir auch die Struktur der Theken verändern werden.“

Fusion-Club. (Foto: Bastian E.)
Fusion-Club. (Foto: Bastian E.)

Wie sucht ihr eigentlich die DJs aus, also wer beurteilt, welche Künstler infrage kommen?

„Ich sitze aktuell jeden Tag am „Line Up“, das mache ich auch alles selber. Ich setze da alle möglichen Kandidaten auf eine Liste und versuche mir die Künstler auch tatsächlich vorher alle live anzuhören. Im Sommer war ich dafür mehrfach auf Ibiza, in Amsterdam auf dem ADE (Amsterdam Dance Event) und fliege im Dezember zur Kunstmesse ‚Art Basel‘ nach Miami. Auf der ‚Art Basel‘ die Künstler direkt vor Ort anzuhören, macht mehr Sinn, als beispielsweise die ‚Winter Music Conference‘ zu besuchen. Die war sonst immer unser Anlaufpunkt für Künstler, aber sie ist zu „EDM lastig“ geworden. Die elektronische Musik, die ich favorisiere, findet tatsächlich mehr auf der ‚Art Basel‘ statt, auch wenn ich das erst recht spät herausgefunden habe (lacht).

Es gibt natürlich den wirtschaftlichen Aspekt, sprich, wir müssen Künstler buchen, durch die wir Tickets verkaufen, weil sie ein gewisses Standing haben. Dafür steht das Docklands auch. Andererseits möchte ich auch Talente haben und jungen Künstlern eine Chance geben. Das war beim Dockland-Festival dieses Jahr schon so und wird auch 2023 so sein. Grundsätzlich steht das Dockland-Festival für True Electronic Music, sprich House, Techno ohne Kinkerlitzchen, kein EDM. Das ist das, was das Dockland-Festival immer ausgemacht hat und das wird auch so bleiben. Die Liste ist auf jeden Fall sehr sehr lang, ich habe viele Anfragen verschickt und es ist für mich auf jeden Fall immer ein sehr großer Kampf im Gegensatz zu meinen Kollegen in London, Barcelona oder Ibiza. Wir arbeiten stetig daran, Münster „auf die Map zu bringen“ und zu etablieren. Das ist uns in den letzten Jahren mit vielen großartigen Künstlern auch gelungen. Sven Väth ist nur ein Beispiel, der dieses Jahr auf dem Dockland-Festival ein wahnsinnig gutes Set gespielt hat.“

Sven Väth war Headliner 2022. Carl Cox ist, laut Gerüchten, Headliner 2023. Wie ist der Stand der Dinge?

„Ich bemühe mich jedes Jahr um Carl Cox, seit wir Open Air sind und hoffe inständig, dass es vielleicht nächstes Jahr klappt. Die Anfrage ist raus. Ich würde mich wahnsinnig freuen. Er soll seinen guten Kumpel Sven Väth fragen. Dem hat es hier extrem gut gefallen, auch unsere Professionalität. Ich denke in den nächsten zwei Wochen wird es eine Entscheidung geben. Natürlich gibt es auch noch andere richtig gute Kandidaten, sollte es mit Carl nicht klappen.“

Ihr habt jetzt seit Ende Oktober eine neue Veranstaltungsreihe, nämlich die Pride Party. Erzähl uns, wie es dazu kam.

Bekannte Künstler und neue Talente legen im Fusion auf. (Foto: Bastian E.)
Bekannte Künstler und neue Talente legen im Fusion auf. Hier zu sehen: Gerd Janson auf der Veranstaltung „18 Jahre Monopark“ am 12. November 2022. (Foto: Bastian E.)

„Richtig, die Pride Party ist ganz neu und wir haben uns gefreut, als die Anfrage des Veranstalters aus der LGBTQ Bewegung kam. Das ganze Konzept hat mich überzeugt, welche DJs die buchen, wie sie sich positionieren, wie sie das Marketing machen, wie breit die musikalische Vielfalt ist. Elektronische Musik steht ja im Allgemeinen für Diversity, gegen Homophobie, gegen Rassismus und gegen alle schlechten Dinge die sich der Mensch so ausgedacht hat. Als Halbkoreaner habe ich als Kind selbst viel Rassismus erfahren. Damals sah ich deutlich asiatischer aus. Mit der westfälischen Hausmannskost meiner Oma habe ich mich optisch in eine andere Richtung entwickelt (lacht).“

Eine Frage zum Schluss, die mich auch persönlich sehr interessiert. Ist der XMAS BAM mit Westbam gesetzt?

„Ist gesetzt mit Max (Westbam heißt mit bürgerlichem Namen Maximilian Lenz, Amn. d. Red.)!!! Und ich kann dir jetzt schon als Erstem verraten, wer an seiner Seite spielt. Wir haben ja immer einen Gast-DJ und ich habe mich mit Max diesbezüglich immer gut abgestimmt. Wir haben, was mich total freut, eine Detroit-Legende am Start und zwar ist es niemand geringeres als DJ Stingray!“

Thomas, vielen Dank für das interessante und vor allem nette Gespräch.

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