Summerwinds: Vom Zentaurus in der Apostelkirche

Stefan Temmingh scheint mit seiner Flöte verwachsen. (Foto: bk)
Stefan Temmingh scheint mit seiner Flöte verwachsen. (Foto: bk)

Stefan Temmingh malt mit seiner Flöte Kreise in die Luft, während er sauber jeden Ton trifft, jedes Körperteil scheint mitzuspielen, der Oberkörper bewegt sich vor und zurück. Dabei fixieren seine Augen schon mal einen Konzertbesucher, doch sein Blick richtet sich eher nach innen. Fulminanter Beginn des Summerwinds-Holzbläserfestivals gestern in der Apostelkirche.

Die Apostelkirche ist eine von 50 Locations, an denen in den nächsten 8 Wochen im gesamten Münsterland Konzerte stattfinden werden. Natürlich begrüßt zunächst der Hausherr, Pfarrer Heinrich Kandzi, das Auditorium. Er zitiert Luther, wonach die Musik ein Geschenk Gottes sei, den Teufel vertreibe und die Leute fröhlich mache. Und schon sind ganz unbekannte Flötentöne zu hören. Das Brasiliana Project, sechs Flötisten unter Leitung von Lucia Carpena spielen ausschließlich brasilianische Komponisten.

Konzertmeister Robin Peter Müller. (Foto: bk)
Konzertmeister Robin Peter Müller. (Foto: bk)

Man fühlt sich, als ob man am Amazonas Tukana, Aras und Kolibris entdeckt, manchmal erklingt nur ein einsamer Vogel, dann wieder öffnet sich die ganze ornithologische Welt. Doch schon schnell verabschieden sich die Südamerikaner und machen Platz das Barockorchester La Folia, das auf historischen Instrumenten unter der Leitung des Konzertmeisters Robin Peter Müller Vivaldi spielt. Plötzlich spürt man ein kleines Aufatmen in der Kirche, zu anders war die Vogelwelt in Brasilien. Und dann endlich kommt der Südafrikaner Stefan Temmingh aus der Sakristei, in der Hand eine kleine schwarze Flöte. Il Gardellino bedeutet übersetzt „der Dieselfink“. Und tatsächlich klingt Temmingh wie ein Vogel, als er – begleitet von Langhalszupfinstrument, Bratsche, Cembalo, Kontrabass, Violine – Vivaldis „Il Gardellino“ interpretiert. Es folgt „La Notte“ und dem dritten Blockflötenkonzert gibt Temmingh den Namen „das Mädchen“. Allegro, Largettho, Allegro – also das Tempo der Musik – erklärt Temmingh inhaltlich: „Zunächst ist Heidi allein, sodann wirbt Peter um sie, schließlich sind sie zu zweit.“ Die Finger fliegen, man kann kaum so schnell zusehen wie Temmingh spielt.

Es ist ganz so, als ob Temmingh mit seinem Instrument eine organische Verbindung eingegangen ist – vergleichbar dem Zentaurus (Halb Mensch, halb Pferd) dürfen die Konzertbesucher in der Neuzeitmythologie dem Phänomenen beiwohnen: Halb Mensch – Halb Flöte. Trotzdem tauscht der Musiker immer wieder sein Instrument und lässt zwischendurch auch Konzertmeister Robin Peter Müller Gelegenheit, sein exorbitantes Geigenspiel zu präsentieren. Ein sagenhaftes, fast dreistündiges Konzert in würdiger Umgebung. Ein Auftakt, wie er besser nicht hätte sein können.

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